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Der Kuss des Jägers

Der Kuss des Jägers

Titel: Der Kuss des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lukas
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ungeduldig.
»Gehen wir!«
    Hastig zog sich Jean in einen anderen Durchlass zurück, doch die
Schritte entfernten sich. Es musste noch einen weiteren Ausgang geben. Sollte
er hier warten, bis Kafziel mit seinem Opfer – es konnte nur Lilyth sein –
zurückkam? Nein, das wäre dumm. Sich mit dem Dämon zu
messen, würde schwierig genug werden, und hier hätte er auch noch zwei kräftige
Männer gegen sich. Von Sylvaine und Maurice, den er mager und nicht allzu groß
in Erinnerung hatte, erwartete er deutlich weniger Widerstand.
    Er wandte sich um. Auch nebenan schimmerte schwach das Licht der
Taschenlampen. Offenbar waren alle Räume miteinander verbunden, weil die
gemauerten Gewölbe erst nachträglich errichtet worden waren, um die aus dem
Fels gehauenen Decken des alten Steinbruchs abzustützen. Sie bildeten ein Labyrinth
aus Nischen, Gängen und Kammern, das von aufgeschichteten Knochen gesäumt wurde
wie die Wände einer Bibliothek von Büchern und Schriftrollen. Jean huschte von
Raum zu Raum und versuchte, Arnaud und Henri zu umgehen. Er hörte sie mit
großen Reißverschlüssen hantieren, Stoff raschelte, und Henri stellte
irgendeine Frage, auf die Arnaud ungehalten antwortete. Es kostete ihn nicht
viel Zeit, auf die andere Seite ihres neuen Ritualraums zu gelangen, doch über
den Lärm, den sie veranstalteten, hatte er Mühe, Kafziels Spur aufzunehmen.
Erst als er sich aufs Geratewohl von ihnen entfernte, vernahm er ganz leise
wieder klappernde Absätze. Sylvaine. Sie würde ihn zu
Lilyth führen. Entschlossen folgte er dem Geräusch in die schädelgrinsende
Finsternis.

    Sophie ging in ihr Zimmer und ließ sich aufs Bett fallen,
nur um sofort wieder aufzuspringen. Wollte sie wirklich eine Beziehung ohne
Sex? Konnte sie es durchhalten, über Jahre, ein Leben, ohne begehrt zu werden,
ohne den Rausch der geteilten Leidenschaft und das gemeinsame Vergehen im
Höhepunkt? Nachdenklich starrte sie aus dem Fenster, vor dem es mittlerweile
dunkel geworden war. Natürlich kann man das. Raphael
und sie waren nicht das erste Liebespaar, das mit Widerständen zu kämpfen
hatte. Romeo und Julia, Tristan und Isolde … Zeichnete sich die wahrhaft große
Liebe nicht dadurch aus, dass sie Hindernissen trotzte? Aber Romeo und Julia
hatten sich in ihren verzweifelten Versuchen, das Unmögliche möglich zu machen,
gegenseitig in den Tod getrieben. Im Tod vereint, weil es ihnen im Leben
verwehrt war. Kafziel hatte ihr dasselbe angeboten, und sie hatte es ernsthaft
erwogen. Ihr schauderte. Sie war so dumm gewesen. Raphael wollte, dass sie
lebte und glücklich war. Aber hatte es je ein keusches Paar gegeben, das gemeinsames
Glück gefunden hatte? Fiel ihr überhaupt ein Paar ein, das über Jahre
enthaltsam bleiben musste und nicht daran zerbrochen war? Auch wenn es
angeblich die Schuld eines Liebestranks war, hatten sich Tristan und Isolde
heimlich getroffen, um mehr als zarte Küsse und verliebte Blicke auszutauschen.
Lancelot und Ginevra, Abaelard und Heloise, sie alle hatte ein trauriges
Schicksal ereilt, weil es ihnen nicht gelungen war, keusch zu bleiben. Weil
sich die Liebe zwischen Mann und Frau nun einmal nach körperlicher Erfüllung
sehnte.
    Gott, bin ich heute melodramatisch! Wenn
sie genauer darüber nachdachte, fielen ihr bestimmt Beispiele ein, in denen
solche Geschichten gut ausgegangen waren. Aber lag es dann nicht daran, dass
die Liebenden in diesen Büchern und Filmen Wege gefunden hatten, ihre
Schwierigkeiten zu überwinden und doch noch zu heiraten? Sie raufte sich die
Haare. Nein, an ein Paar, das ohne Sex für immer glücklich zusammengelebt
hatte, konnte sie sich beim besten Willen nicht erinnern. Das
bedeutet nicht, dass ich es nicht schaffen kann. Mit Rafe zu schlafen
war zu selbstverständlich gewesen, um sich jemals Gedanken darüber zu machen,
ob sie darauf verzichten könnte. Es mochte möglich sein. Aber
wäre es schön?
    Sie ließ sich wieder aufs Bett sinken. Grübeln
bringt mich nicht weiter. Hatte sie nicht dringendere Fragen zu klären?
Zum Beispiel, was Alex ihr mit seiner Nachricht hatte sagen wollen. Am liebsten
wäre sie in die Buchhandlung zurückgegangen, um aus der Einsamkeit dieses
Zimmers zu entfliehen, den Überlegungen zu entkommen, die sich doch nur im
Kreis drehten, aber L’Occultisme hatte mittlerweile
sicher geschlossen. Wenn Alex es unverfänglich fand, ihr eine Nachricht zu
schreiben, solange sie keinen Hinweis auf Jean enthielt, durfte sie ihn dann anrufen?
Sie musste jetzt

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