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Der Kuss des Jägers

Der Kuss des Jägers

Titel: Der Kuss des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lukas
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richtete die Augen darauf. Bildete er es sich ein oder
schimmerten Tränen darin? Wieder sah sie ihn an. Aus ihrem Blick sprach
Verzweiflung. »Du kannst mir nicht helfen! Er ist viel zu stark. Wenn ich mich
gegen ihn stelle, bringt er mich um.«
    Zur Hölle mit diesem verfluchten Dämon! »Das
redet er dir nur ein. Er wird dich umbringen, wenn du dir nicht helfen lässt.«
    »Nein!« Heftig schüttelte sie den Kopf. »Geh weg! Du machst alles
nur schlimmer!«
    Eine knochige, von schwarzem Stoff bedeckte Schulter schob sich
zwischen ihn und Lilyth, dann tauchte Maurice’ hageres Gesicht vor ihm auf.
»Sieht so aus, als ob meine Freundin nicht mit dir reden will.« Der
ausgemergelte Körper mochte wenig eindrucksvoll sein, doch die grauen Augen blickten
arrogant und herausfordernd.
    Du hast keine Ahnung, wer ich bin, aber ich kenne
kleine Arschlöcher wie dich. Jean lehnte sich vor, damit Maurice kein
Wort entging. »Ich weiß, welche satanischen Spielchen du treibst, Junge.
Verschwinde einfach, und wir vergessen die Sache.«
    Für einen kurzen Moment schlich sich Unsicherheit in Maurice’ Züge,
aber schon kehrte die Überheblichkeit zurück. »Du weißt gar nichts. Verzieh
dich und geh andern auf die Nerven! Gehen wir!« Er packte Lilyth und schob sie
weg, während er sich rückwärts entfernte, ohne Jean aus den Augen zu lassen.
    Zornig ballte Jean die Fäuste. Merde! Er
konnte den Kerl vor so vielen Menschen nicht einfach niederschlagen und die
kreischende Lilyth davonzerren.
    »Gibt’s hier Ärger?«
    Überrascht wandte er sich zu der Stimme um, die er zu kennen
glaubte, obwohl sie in diesem Krach schwer zu identifizieren war. »Didier!«
    »Salut, Jean! Hast es also …« Der stämmige Student brach ab, als
jemand gegen ihn stieß. »Hey!«
    Noch dröhnte die Musik weiter, doch der Lärm hatte sich verändert.
Leute schrien, schubsten und drängelten.
    »Police nationale!«, quäkte es aus einem Megaphon.

    Der blasse, durchsichtige Raphael rannte vor ihr die
Stufen hinab. Sophie polterte hinter ihm her, im Geiste noch oben in der
Wohnung. Hatte sie auch nichts vergessen? Handy, Schlüssel … Sie hasste es, so
überhastet aufzubrechen. Jedes Mal fürchtete sie, etwas Wichtiges nicht
eingesteckt zu haben. In letzter Sekunde hatte sie die Tasche mit dem
Weihwasser geschnappt. Schließlich ging es gegen Kafziel. Madame Guimard hatte
ihr nur verdattert von der Wohnzimmertür aus nachgeblickt.
    Wo müssen wir hin? In den Louvre? Warteten
dort nicht diese Engelwesen, die er Kerubim genannt hatte?
    »Nein, in den Untergrund.«
    »In die Katakomben?«, entfuhr es ihr.
    Er gab keine Antwort, sein Abbild lief ihr voran zur Haustür, ohne
dass die Frau aus dem zweiten Stock, die ihr entgegenkam, etwas bemerkte.
»Bonsoir.«
    Mechanisch erwiderte Sophie den Gruß. Ihre Gedanken galten dem
Dämon. Will er von dort unten in den Louvre eindringen? Sicher gab es auch unter dem Museum Versorgungsschächte, und die Métro fuhr
ohnehin direkt nebenan vorbei.
    »Er ist in Montparnasse und will das Ritual
durchführen«, erklärte Raphael, während er neben der Tür auf sie
wartete.
    Er hat ein neues Opfer gefunden? Sofort
stand ihr das blitzende Messer wieder vor Augen. Sie spürte den Schnitt durch
ihre Haut, und ihr wurde eiskalt.
    »Du kannst es verhindern. Komm!«
    Ja. Mit ungewohnter Kraft riss sie die
schwere Tür auf, stürmte hinaus und prallte gegen einen Mann in weißem T -Shirt.
    »Oh, pardon!«, murmelte sie und wollte schon weiterrennen, als ihr
halbherziger Blick in seine Miene sie stutzen ließ. Entgeistert starrte sie ihn
an, sah zur Tür zurück, die sich auf den alten Fliesen verkantet hatte und
offen stand. Raphaels durchscheinendes Abbild schwebte über der Schwelle, einen
grimmigen Ausdruck auf dem Gesicht. Rasch wandte sie sich wieder der
Erscheinung zu, deren feste Hände sie aufgefangen hatten und noch immer
hielten. Ihr war, als seien ihre Eingeweide versteinert. Sie wich vor beiden
zurück.

    Unter dem versonnenen Lächeln der L’Inconnue brodelte ein Hexenkessel. Die megaphonverstärkten Befehle der Polizei
vermengten sich mit schrillen Rückkopplungen aus den Lautsprechern der Band und
verwirrtem Geschrei. Jean sah sich nach Lilyth um, doch sie und Maurice waren
in der Menge verschwunden. Etliche Leute standen völlig bestürzt herum, aber
die meisten liefen durcheinander wie ein Haufen aufgescheuchter Hühner, flohen
in alle Richtungen, schnitten sich gegenseitig den Weg ab, warfen panische

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