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Der Kuss des Jägers

Der Kuss des Jägers

Titel: Der Kuss des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lukas
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und
doch vernebelte Blicke um sich. Wohin in diesem Chaos?
    Kafziel würde sich von den cataflics , wie
sie genannt wurden, weil sie die cataphiles jagten,
nicht aufhalten lassen. Womöglich zerrten er und dieser Maurice Lilyth in
diesem Augenblick in den Gang, der zu den Katakomben führte. Ich muss zurück. Jean warf sich ins Gedränge, versuchte,
sich mit den Ellbogen einen Weg zu bahnen. Vergeblich. Zu viele Menschen kamen
ihm entgegen. Schon glänzte ein Helm der Untergrundpolizei in seiner Nähe auf –
zu nah. Wenn sie ihn vom Fahndungsfoto wiedererkannten …
    Er drehte um und hielt auf den nächstbesten Ausgang zu. Es war
gefährlich, kopflos in das Labyrinth zu rennen. In der Dunkelheit lauerten
Abgründe oder man verlief sich und fand nicht mehr heraus. So mancher fragte
sich rechtzeitig, ob ein Rüffel der Polizei wirklich schlimmer war. Die Leute
zögerten, drehten wieder um. Jean stieß die Zauderer beiseite, zwängte sich an
einer dicken, aus ihrem schwarzen Samtkleid quellenden Frau vorbei, die den
Durchlass fast völlig blockierte. Die meisten waren zu sehr in Panik, um sich
zu empören, als er sich durch den Gang rempelte, doch einige stießen ihn
ebenfalls an, schlugen mit Taschenlampen nach ihm oder sandten ihm Flüche nach.
Zu seinen Füßen tauchte plötzlich eine gestürzte Gestalt auf, die sich
aufrappeln wollte. Jean sprang, um dem Mann nicht auf die Rippen zu treten, und
beinahe im gleichen Moment explodierte Schmerz in seinem Schädel. Benommen fiel
er gegen die Leute vor ihm, sein Körper kämpfte darum, auf den Beinen zu
bleiben, während sein Verstand noch mit den dunkelroten und schwarzen Flecken
rang, die durch seinen Kopf waberten. Als er wieder klar denken konnte, rannte
er bereits weiter. Nur noch wenige, offenbar sportliche cataphiles mit Lampen vor ihm, das leiser werdende Geschrei in seinem Rücken.
    Eine Kreuzung kam in Sicht. Die Typen vor ihm bogen nach rechts ab.
Jean verlangsamte seine Schritte. In seinem Kopf pochte es. Warme Flüssigkeit
suchte sich wie in Zeitlupe ihren Weg durch sein Haar. In welche Richtung ging
es zurück zu den Katakomben? Verdammt! Er konnte
nicht einmal sicher sein, dass es überhaupt eine andere Verbindung gab, doch
wenn sie existierte, musste er sich links halten. Oder nicht?
    »Es wird schwierig, aber es gibt einen Weg. Komm!«
    Geneviève!
    Sie lief voraus in die Dunkelheit, eine schlanke Gestalt, die
schimmerte wie eine Perle. Jean folgte ihr, holte dabei die Stirnlampe wieder
aus der Tasche und schaltete sie ein, bevor ein anderer das Leuchten des Engels
entdeckte. Oder war es nur für ihn sichtbar? Sicher ist
sicher. Das dehnbare Band beim Laufen überzuziehen, ließ ihn stolpern,
doch er fing sich und rannte weiter.
    »Kafziel hat das Mädchen«, rief Geneviève über die Schulter. »Ich
darf nicht eingreifen, solange sie sich ihm nicht widersetzen will, aber wenn
du sie wieder zur Vernunft bringst … Du hast immer noch Einfluss auf sie.«
    Das hörte sich eben anders an. Sie hatte
ihm vertraut, und aus ihrer Sicht hatte er sie im Stich gelassen, doch Lilyth
war labil und beeinflussbar, und sie hatte Angst. Er musste irgendwie zu ihr
durchdringen.
    Geneviève bog in einen Stollen ab, dessen Wände nur grob behauen
waren. Platschend tauchten ihre Füße in Wasser, das Jean ins Gesicht spritzte.
Bis über die Knöchel versank sie in der schlammigen Brühe und lief weiter. Der
Widerhall ließ das Geräusch ihrer hastigen Schritte zu einem Rauschen
anschwellen. Jean sprang ihr nach. Er spürte das kalte Wasser in seine Schuhe
strömen, seine Socken saugten sich voll, zugleich die Hose, die sofort schwerer
wurde. Obwohl er sich mehr anstrengte, kam er langsamer voran. Das Wasser
schien seine Füße nur widerstrebend freizugeben. Sobald er sich schneller
bewegte, fühlte es sich zäh an, als wate er durch einen Sumpf.
    Endlich waren sie hindurch. Geneviève stieg in einem nassen, engen
Schacht aufwärts, der weder Sprossen noch Stufen bot. Es dauerte eine Weile,
bis Jean begriff, wie sie es machte, dann klemmte auch er sich mit dem Rücken
gegen die eine und allen vieren gegen die andere Wand und stemmte sich Stück
für Stück nach oben, wo sie weiteren Gängen folgten. Längst hatte er die
Orientierung verloren, als sie auf knochengefüllte Kammern stießen. Zunächst
waren es willkürlich aufgeschüttete Haufen. Knochensplitter knackten unter
seinen Füßen. Er trat gegen etwas, das in die Dunkelheit davonflog, bevor er es
richtig sehen

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