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Der Kuss des Jägers

Der Kuss des Jägers

Titel: Der Kuss des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lukas
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oben … äh, irgendwo über der Orientabteilung.« So lange
konnte er seinen Posten hoffentlich nicht im Stich lassen.
    »Also schön, aber kommen Sie bitte sofort wieder zurück. Ich warte,
bis Sie hier sind.«
    Sophie nickte nur, was ihr schwer genug fiel. Sie hasste es, Leute
zum Narren zu halten.
    »Vielen Dank!«, ergriff Raphael für sie das Wort. »Wir beeilen uns.
Komm, Schatz!« Er nahm ihre Hand und zog sie weiter, obwohl es nicht nötig
gewesen wäre. Sie wollte so schnell wie möglich weg. Gemeinsam durchquerten sie
die ungewohnt menschenleere Halle unter der Glaspyramide, die sich mit den
spiegelnden Lichtern bei Nacht wie ein ganz eigenes dunkles Himmelszelt
ausnahm. Oberhalb der Treppe zum Richelieu-Trakt trat ihnen ein weiterer
Museumsangestellter in den Weg, doch Sophie spulte hastig ihre Ausrede ab, und
Raphael schlug lächelnd einen kleinen Bogen um den Mann. Stirnrunzelnd ließ er
sie gewähren. Nur noch wenige Besucher kamen ihnen entgegen. Erstaunt merkte
Sophie, dass Raphael sie nicht auf dem Weg führte, den sie beim letzten Mal
genommen hatten. »Warum …«
    »Wir müssen erst alle anderen vorbeilassen, sonst
sehen sie, wo wir uns verstecken«, erklärte er in ihrem Kopf, während
sie durch eine Sammlung mittelalterlicher Skulpturen liefen.
    Schließlich traten sie durch eine Tür, und Sophie erkannte den
großen, glasüberdachten Innenhof neben der Khorsabad-Sammlung wieder, nur dass
sie dieses Mal von der anderen Seite kamen. Bronzene und steinerne Statuen
ragten über ihr auf, muskulöse Heroen und erhabene Göttinnen der antiken
Mythologie, die über eine marmorne Brüstung in die ein Stockwerk tiefer
gelegene Mitte des Hofs blickten. Von dort unten ragten die spärlichen Kronen
kleiner Bäume auf. Weit und breit war niemand mehr zu sehen.
    »Warten wir hier«, beschloss Raphael hinter einer der Skulpturen.
    Sophie folgte seinem Vorbild und kauerte sich in die Schatten
zwischen dem wuchtigen Sockel und der Fassade des Louvre. Aber wenn jemand von
der falschen Seite käme …
    »Schhhh! Du hast doch einen Engel bei dir.« Er schloss die Augen. Stille legte sich über sie wie damals im Jardin du
Luxembourg, als die Parkwächter nach ihnen gesucht hatten. Die bereits
reduzierte Beleuchtung kam ihr noch dunkler vor, ihr Herzschlag langsamer.
Nicht der kleinste Laut drang mehr an ihr Ohr. Selbst ihr eigener Atem schien
in der Stille aufzugehen. Zeit verstrich. Minuten? Stunden? Sie hätte es nicht
sagen können.
    Plötzlich schien alles mit einem Ruck zu zerreißen. Ihr war, als
habe jemand die Decke weggezogen, unter der sie sich als Kind vor Monstern
versteckt hatte. Erschreckt sah sie auf, doch da war niemand. Nur Raphael, der
alarmiert zu den oberen Stockwerken aufblickte. Alle Lichter waren erloschen.
Alle.
    Er richtete die Augen auf den Eingang der Orientabteilung. »Es
beginnt.«

    In den Augenhöhlen der Toten tanzten Schatten. Flackernder
Kerzenschein verlieh Schädeln und Knochen die Farbe alten Elfenbeins. Dunklere
und hellere Stimmen vereinigten sich zu einem Chor gemurmelter Beschwörungen.
    Vorsichtig spähte Jean in den Nebenraum, wo Kafziels Anhänger auf
dem Boden ein Pentagramm aus schwarzen Seidenbändern geformt hatten. Er konnte
nur einen Teil davon sehen, doch er kannte die Rituale der Satanisten lange
genug, um zu wissen, was er vor sich hatte. In den beiden Zacken des Sterns,
die sich in seinem Blickfeld befanden, standen zwei in glänzende schwarze Roben
gehüllte Gestalten. Weite, tief ins Gesicht gezogene Kapuzen bedeckten ihre
Köpfe. Der sehr große, breitschultrige Mann, der ihm den Rücken zuwandte,
konnte nur Henri sein, während der kleinere, untersetzte wohl Arnaud war,
dessen Namen er zwar bislang nicht gekannt, den er jedoch bereits des Öfteren
in Caradecs Zirkel gesehen hatte. Jean war, als lege sich etwas Festes um sein
Herz und drücke zu. Die Aura des Dämons. Auch Kafziel musste in diesem Raum
sein. Hatten sie Lilyth gefunden und hergebracht?
    Lautlos zog er sich zurück, um dort, wo sich der Kerzenschein in
Dunkelheit verlor, einen Bogen zu schlagen und sich der anderen Seite des
Durchgangs zu nähern. Die Stirnlampe hatte er längst wieder in die Jackentasche
gesteckt, damit ihn kein Aufblitzen des spiegelnden Innern verriet. Schon
etliche Schritte vor dem Durchlass gestattete ihm der günstige Winkel einen Blick
auf die andere Hälfte des Pentagramms, sodass er sich nicht weiter vorwagen
musste. Drei weitere Beschwörer nahmen die restlichen

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