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Der Kuss des Jägers

Der Kuss des Jägers

Titel: Der Kuss des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lukas
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sie Kreuz und Weihwasser aus der Tasche, schraubte
das Fläschchen auf und legte stattdessen ihren Daumen als Verschluss darauf.
Sie umklammerte und schützte beides zugleich mit den Händen, während sie die
letzten Meter kriechend überwand und geduckt die Stufen hinabhuschte. Als sie
sich unten aufrichtete, wäre sie beinahe gegen eine Bestie geprallt, die sie
mit geöffnetem Schlangenmaul anzischte. »Weiche!«, schrie sie und rammte ihr
fast das Kreuz gegen den Kiefer, als sie es vor sich stieß.
    Mit noch wütenderem Zischen zuckte der geschuppte Kopf zurück, der
mannsdicke Leib ringelte sich ein, floss dabei durch Skulpturen und
Schaukästen, die kaum wahrnehmbar erzitterten. Der Körper
ist nur eine Illusion. Sie starrte in die geschlitzten Pupillen, als könne
sie den Dämon damit bannen, und schob sich seitwärts. Bleib,
    wo du bist! »Weiche!« Wenn du mir zu nahe kommst … Drohend hob sie auch das Fläschchen. Die Schlange erwiderte den Blick, folgte
ihrer Bewegung, indem sie den Kopf drehte. Wie waren noch die lateinischen
Worte gewesen? »Discede, seductor! Discede!«
    Zischend wich der Dämon ein Stück weiter zurück. Aus dem Augenwinkel
sah Sophie eine schnelle Bewegung und duckte sich gerade noch unter der
Schwinge eines löwenköpfigen Adlers hinweg, den ein Kerub vor sich herjagte.
Hastig blickte sie wieder zur Schlange, doch der Dämon hatte nicht gewagt, sich
ihr wieder zu nähern. Stattdessen schoss er vor, um sich auf den Kerub zu
stürzen und sich um den massigen Stierleib zu schlingen. Sophie näherte sich
rückwärts der Vitrine mit den Rollsiegeln. Sie konnte den Blick nicht von dem
mächtigen Engel abwenden, dessen Gestalt sich ständig zu verändern schien,
während er mit der Schlange rang. Mal endeten seine kräftigen Beine in
gespaltenen Stierhufen, dann in Löwenpranken. Eben noch war sein Rücken mit
zottiger Mähne bedeckt gewesen, nun zeichneten sich Muskeln unter nackter
Menschenhaut ab. Sie erschrak, als ihre Hand mit dem Weihwasser klirrend gegen
den Schaukasten stieß. War die … Nein. Die Flasche war noch intakt. Ihr nächster Blick galt dem Schlüssel. Welches
Siegel war es gewesen? Befand es sich noch an seinem Platz? Die Atmosphäre im
Raum war so aufgeladen, dass sie Mühe hatte, seine Ausstrahlung zu spüren. Sie
kniff die Augen zusammen, um nach Details zu suchen, die ihr bekannt vorkamen. Da! Ein seltsames Tier mit drei Zacken auf dem Rücken. Das
musste er sein.
    »Geh mir aus dem Weg, Weib!«, donnerte eine Stimme hinter ihr.
    Kafziel! , erkannte sie und wirbelte herum.
    Die dunklen Augen funkelten sie aus tiefen Höhlen an. »Geh mir aus
dem Weg!« Er stürmte auf sie zu.
    Einen Lidschlag lang war sie vor Angst gelähmt, dann zuckte ihr Arm
wie von selbst nach vorn. Glitzernde Tropfen sprühten durch die Luft.

    »Maul halten, hab ich gesagt!«, fuhr Henri ihn an.
    Schon schoss neues Feuer durch Jeans Schulter, als er am Arm nach
oben gerissen wurde und Henris Fuß ihn zugleich nach unten trat. Knorpel
knirschte. Jean kniff die Augen zu und biss die Zähne zusammen, bis der Schmerz
nachließ. Er wollte nicht sehen, wie Lilyth starb, und doch öffnete er rasch
wieder die Lider, musste es einfach tun. Sein Blick fiel auf Kafziel, dessen
Abbild mit einem Mal flackerte. Qualmende Löcher platzten in der Robe auf,
durch die nicht etwa ein Körper, sondern die Wand dahinter sichtbar wurde. Doch
im nächsten Moment war der Dämon zurück. Die dunkle Präsenz legte sich so
unvermittelt über Jeans Empfinden, dass es ihm vorkam, als seien die Kerzen im
Raum erloschen. In Wahrheit brannten sie noch immer, beleuchteten Kafziels
wieder intakte, schimmernde Robe und seine wütende Miene. Nur ein paar
rötliche, wie verbrannte Flecken auf Gesicht und Händen verrieten Jean, was
vorgefallen war. Weihwasser …
    »Warte!« Der Befehl war so scharf, dass Jean Henri zucken spürte,
obwohl das Wort Sylvaine galt. Mit geweiteten Augen ließ sie den Dolch sinken.
    Kafziel kam auf ihn zu. Sie alle überragten Jean wie Riesen, doch
als sich der Dämon näherte, war ihm erneut, als fiele ein Schatten auf ihn, der
nichts mit den physischen Schatten zu tun hatte, die über die Wände tanzten.
Die Schuhe verhielten gefährlich nah vor seinem Gesicht. Er konnte den Staub
darauf und die feinen Poren des Leders sehen. Die Seidenrobe raschelte, als
Kafziel vor ihm in die Hocke ging, um ihm in die Augen zu sehen. Jean spürte
das Kratzen des Dämons an der Barriere um seine Gedanken. Wie

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