Der Kuss des Jägers
sehen,
bis Rafe für sie Zeit hatte. An der Ecke zur Rue Jean de Beauvais schickte sie
die SMS ab, steckte das Handy wieder ein und stieß
dabei auf die beiden Bücher, die Alex ihr gegeben hatte. Vielleicht sollte sie
sich damit ablenken, sobald sie heimgekommen war. Jean wollte, dass sie den
Schlüssel fanden, und wenn sie auf diese Art wenigstens Kafziel loswurde, wäre
schon viel gewonnen.
Während sie die Treppen hinaufstieg, überlegte sie, was sie Madame
Guimard erzählen sollte. Sie hatte sich so weit beruhigt, dass es in ihrem
Gesicht nicht mehr verdächtig zuckte, aber wenn von der Ohrfeige ein rotes Mal
zurückgeblieben war …
Ein Mann schien auf den Stufen zum fünften Stock gewartet zu haben
und erhob sich, als Sophie vor der Wohnungstür ankam. Sie sah seine dunkle
Gestalt aus dem Augenwinkel, als er auch schon neben sie trat und sie auf diese
Art von der Treppe nach unten abschnitt. Sofort erkannte sie die dunkle
Polizeiuniform.
»Mademoiselle Bachmann?«, erkundigte er sich und klopfte
gleichzeitig an die Tür.
»Ja, was …« Von innen näherten sich schnelle Schritte, die unmöglich
von Madame Guimard stammen konnten.
»Brigadier Dupont. Ich muss Sie bitten …« Er brach ab, als die Tür
aufgerissen wurde.
Brigadier Gonod sah sie kopfschüttelnd an. »Ah, die Ausreißerin. Was
haben Sie sich nur dabei gedacht? Der Commissaire will Sie sprechen. Sofort.«
»Man sollte meinen, dass Sie genug von diesem Kram haben«,
merkte Gonod an, als die Sicherheitsbeamten im Justizpalast Sophies Tasche
durchsuchten und dabei die Dämonologiebücher zum Vorschein brachten.
Sie konnte nur bitter nicken. Da sie nichts Gefährliches bei sich
trug, wurde ihr alles zurückgegeben, und der Brigadier führte sie in ein
weiteres Vernehmungszimmer. Dafür, dass er während der Fahrt nicht weiter in
sie gedrungen war, war sie ihm dankbar. Sie hätte ohnehin nicht gewusst, was
sie sagen sollte. Im Nachhinein war ihr klar, dass dem oder den Ermittlern, die
sie beschatteten, nicht entgehen konnte, wenn sie überraschend in ein Auto
stieg, doch während Antoine und Linot sie in ihrer Gewalt gehabt hatten, war es
ihr völlig entfallen.
Gournay hielt sich ein Handy ans Ohr, als er den Raum betrat. » Bon – gut. Halten Sie mich auf dem Laufenden«, sagte er ins
Nichts und unterbrach die Verbindung. »Mademoiselle Bachmann.« Er nickte ihr
mit einem süffisanten Lächeln zu. »Ich bin höchst gespannt auf Ihre Erklärung
der heutigen Vorgänge. Nachdem ich Sie gebeten habe, die Stadt nicht zu
verlassen, waren wir etwas beunruhigt, als Sie so fluchtartig in dieses Auto
gestiegen und davongefahren sind. Sie müssen zugeben, dass es sich merkwürdig
ausnimmt, wenn Sie zunächst im Hinterzimmer eines einschlägigen Treffpunkts
verschwinden und dann von einem Wagen abgeholt werden, sobald Sie das Gebäude
verlassen.«
Aus dieser Perspektive hatte sie es noch gar nicht betrachtet. Aber das ist Unsinn! Ich wurde entführt! Die Worte erstarben
ihr auf der Zunge. Wenn sie dem Patron Gournay auf den Hals hetzte, konnte sie
Madame Guimard auch gleich selbst mit Betonschuhen in die Seine stoßen. Sie sah
ihn nur ratlos an und senkte den Blick wieder.
»Sie haben dazu nichts zu sagen? Das kann ich nicht akzeptieren,
Mademoiselle. Mit wem haben Sie sich in diesem Laden getroffen?«
»Mit niemandem«, beteuerte sie. »Ich habe nur mit dem Buchhändler
gesprochen, der sich am besten auskennt. Darf ich mich nicht beraten lassen,
wenn ich einkaufen gehe?«
Gournay zuckte die Achseln. »Dagegen ist nichts einzuwenden, aber
finden solche Gespräche nicht üblicherweise im Verkaufsraum statt?«
»Er machte gerade Pause, aber die Frau an der Kasse hatte nichts
dagegen, dass ich zu ihm gehe. So musste ich ihn nicht aufscheuchen.«
»In ihrer Tasche befinden sich tatsächlich zwei deutschsprachige
Bücher über Dämonologie«, warf Gonod ein.
Der Commissaire nahm es mit einem Brummen zur Kenntnis. »Ihnen ist
hoffentlich klar, dass wir herausfinden, falls Sie von dieser Buchhandlung aus
telefoniert haben.«
»Das habe ich nicht.« Ihre Gedanken kreisten noch immer um die
Frage, was sie ihm über ihre Entführung erzählen sollte. Sie konnte doch nicht
einfach nichts sagen. Er würde nicht lockerlassen, bis sie ihm irgendetwas
auftischte. Doch ihre Gedanken versandeten im Chaos ihrer Gefühle. Das ist alles so unfair. Wieder stiegen ihr Tränen in die
Augen, die sie zurückblinzelte.
Wenn Gournay es sah, ließ er sich nichts
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