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Der Kuss des Jägers

Der Kuss des Jägers

Titel: Der Kuss des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lukas
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das Selbstverständlichste der Welt, dass man alle Geheimnisse mit
dem Menschen teilte, den man liebte. Aber wenn Caradec seine Frau betrogen
hatte, galt es an diese Beziehung wohl andere Maßstäbe anzulegen. Was soll’s? Ich kann schlecht bei ihr
klingeln und fragen. Wenn sie hört, wer ich bin, schmeißt sie mich hochkant
raus.
    Sie erreichte den Hauseingang und kam sich mit den vollen Taschen
und Tüten wie ein ungeschickter Jongleur vor, als sie den Schlüssel
hervorzauberte und öffnete. Mit dem Fuß schob sie die Tür wieder hinter sich
zu. Erst jetzt merkte sie, dass es trotz der Wolkendecke draußen wieder schwül
geworden war, denn im dämmerigen Vorraum am Fuß der Treppe legte sich angenehm
kühlere Luft auf ihre Haut. Neben den Briefkästen lehnte ein schlanker Mann an
der Wand, der trotz des warmen Wetters eine Sweatjacke trug und die Kapuze so
weit ins Gesicht gezogen hatte, dass es weitgehend im Schatten verborgen blieb.
Auf den ersten flüchtigen Blick erinnerte er mit seinen abgewetzten Jeans und
ausgeleierten Turnschuhen an einen Clochard.
    Unwillkürlich regte sich Misstrauen in ihr. Was hatte er hier zu
suchen? Wenn er im Haus wohnen würde, stünde er wohl kaum
hier herum. Rasch sah sie weg und ging an ihm vorbei auf das Treppenhaus
zu. Sie glaubte zu spüren, dass er sie beobachtete. Als sie hörte, dass er sich
hinter ihr bewegte, stockte ihr Herz.
    »Folgen sie dir auch ins Haus?«
    Jean? Sie wirbelte herum, sah in das
Gesicht, auf das nun mehr Licht fiel. Die Kapuze verdeckte das Haar, und die
Wangen waren ohne Stoppeln ungewohnt hell, doch an den Augen erkannte sie ihn,
obwohl er nicht so freundlich blickte wie sonst, sondern geradezu grimmig. Der
verbitterte, harte Zug, der sich manchmal um seinen Mund angedeutet hatte, trat
deutlicher hervor denn je. Kein Wunder, wenn er damit rechnete, dass jeden
Moment die Polizei hereinstürmte.
    »Jean! Nein, ich glaube nicht, dass sie reinkommen. Sie behalten nur
die Tür im Auge.« Noch immer musste sie ihn ansehen. Es war so unwirklich, dass
er plötzlich vor ihr stand. Vor Freude wäre sie ihm am liebsten um den Hals
gefallen, stellte hastig die Tüten ab, doch dann traute sie sich nicht, hob nur
ein wenig die Arme, breitete sie zaghaft aus, woraufhin er ihr den letzten
Schritt entgegenkam und sie an sich zog. Für einen Augenblick schloss sie die
Lider und nahm nichts anderes wahr als ihn. Sein Geruch hatte sich verändert.
Das dezente Rasierwasser war einem angenehm herben Deo gewichen. Keine Spur von
Zigarettenqualm mehr, dafür kam der Duft seiner Haut besser zur Geltung. Es tat
ihr gut, seine Arme um sie zu spüren. Sie mochte die Art, wie seine Hände über
ihren Rücken strichen. Hatte hinter seinen Versuchen, sie von ihrer
gefährlichen Zuneigung für den gefallenen Engel abzubringen, doch mehr gesteckt
als nur der Wunsch, sie vor Unheil zu bewahren?
    Beim Gedanken an Rafe versteifte sie sich, und Jean gab sie sofort
frei. Was sollte Rafe von ihrem Gerede von unsterblicher Liebe halten, wenn sie
sich ständig dabei ertappte, sich zu Jean hingezogen zu fühlen? Immerhin war er
ein Engel. Selbst wenn ich es wollte, könnte ich nichts vor
ihm verbergen.
    »Geht es dir gut?« Die Sorge machte seinen Blick weicher, aber nicht
weniger angespannt. »Warst du in meiner Wohnung? Die Nachricht kam nicht von
mir.«
    »Woher …«
    »Alex hat es mir erzählt.«
    Drei Antworten drängten zugleich darauf, ausgesprochen zu werden,
sodass sie die Worte zu einem Buchstabensalat verhaspelte. Durchatmen!, ermahnte sie sich und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Sollten sie wirklich
hier stehen bleiben, wo jede Sekunde jemand herein- oder die Treppe herabkommen
konnte? »Es geht mir gut, aber lass uns doch oben weiterreden. Ist es hier
unten nicht zu gefährlich?«
    Jean sah aus, als sei er kurz in Versuchung, den Vorschlag
anzunehmen, doch dann schüttelte er den Kopf. »Nein. Wenn ich mit in deine
Wohnung gehe und sie dann plötzlich vor der Tür stehen, sitze ich in der Falle.
Hier kann ich immer noch durch die Hintertür abhauen.«
    Das war nicht von der Hand zu weisen. »Die Nachricht stammte von
Kafziel. Er … hat Gefallen daran gefunden, mich unter falschem Namen in
Hinterhalte zu locken.«
    »In meinem Namen in meine Wohnung …« War es Hass, der in seinen
Augen aufflackerte? Der Ausdruck verschwand zu schnell, um ihn zu deuten. »Hat
er dich angegriffen? Was wollte er?«
    Instinktiv beschloss sie, ihm nicht zu erzählen, womit der

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