Der Kuss des Killers
sich aufwärmen können, nachdem Sie so lange draußen herumgestanden haben.«
»Machen Sie sich keine Mühe.«
»Das ist keine Mühe. Einen Moment.«
Er verschwand durch eine Tür und Eve nutzte die Zeit, um sich in der Wohnung genauer umzusehen.
Ganz offensichtlich hatten viele der Dinge aus dem Laden ihren Weg heraufgefunden. Große Kristalle schmückten einen ovalen Tisch und waren kreisförmig um eine mit Herbstblumen gefüllte Kupferurne drapiert. An der Wand über dem geschwungenen blauen Sofa hing ein kompliziert gewebter Teppich. Männer und Frauen, Sonnen und Monde, eine Burg, aus deren Schießscharten eine Reihe heller Flammen schoss.
»Das große Arkanum«, erklärte Peabody, als sich Eve den Teppich näher ansah, ehe sie laut nieste und ein Taschentuch aus ihrer Jacke zog. »Das Tarot. Sieht alt aus, wie echte Handarbeit.«
»Teuer«, beschloss Eve. Ein Kunstgegenstand wie dieser hatte bestimmt seinen Preis.
Neben dem Teppich gab es Statuen aus Zinn und glatt geschliffenem Stein. Zauberer und Drachen, zweiköpfige Hunde, sinnliche Frauen mit durchscheinenden Flügeln. Auf einer der Wände waren alte, vertrauenserweckende Symbole in leuchtenden Farben aufgemalt.
»Aus dem Buch von Keils.« Auf Eves neugierigen Blick hin zuckte Peabody verlegen mit den Schultern. »Meine Mutter stickt gerne die darin enthaltenen Symbole auf Kissen oder Decken. Sie sehen wirklich nett aus. Eine hübsche Wohnung.« Vor allem sträubten sich ihr hier nicht die Nackenhaare wie in der Wohnung von Selina Cross. »Exzentrisch, aber hübsch.«
»Wenn sie sich diese Antiquitäten und Kunstgegenstände leisten können, scheinen die Geschäfte gut zu laufen.«
»Gut genug«, erklärte Chas, als er, ein Tablett mit einer mit Blumen gemusterten Keramikkanne und Tassen in den Händen, zu ihnen zurückkam. »Außerdem hatte ich, bevor wir den Laden eröffnet haben, selbst ein bisschen Geld.«
»Aus einem Erbe?«
»Nein.« Er stellte das Tablett auf einen runden Tisch. »Ersparnisse, Investitionen. Chemielaboranten werden ziemlich gut bezahlt.«
»Aber trotzdem haben Sie die Arbeit aufgegeben und stattdessen lieber einen Laden eröffnet.«
»Ja«, antwortete er. »Ich war mit meiner Arbeit, mit meinem Leben nicht glücklich.«
»Dann hat die Therapie Ihnen also nicht geholfen.«
Obgleich er sich anscheinend überwinden musste, sah er ihr ins Gesicht. »Sie hat mir auch nicht geschadet. Bitte nehmen Sie doch Platz. Ich werde Ihnen Ihre Fragen beantworten.«
»Sie kann dich nicht dazu zwingen, Chas.« Wie eine Rauchschwade kam Isis durch die Tür des Raums geweht. Ihr Kleid in der Farbe von Gewitterwolken schwang zornig um ihre Knöchel. »Dein Recht auf Privatsphäre ist gesetzlich geschützt. «
»Ich kann darauf bestehen, dass er meine Fragen beantwortet«, verbesserte Eve. »Schließlich ermittle ich in einem Mordfall. Natürlich hat er jederzeit ein Recht auf einen Anwalt.«
»Er braucht keinen Anwalt, sondern Frieden.« Isis wirbelte herum. Ihre Augen sprühten Funken, doch Chas nahm ihre Hände, hob sie an seine Lippen und zog sie an sein Gesicht.
»Ich habe Frieden«, erklärte er ihr leise. »Ich habe dich. Mach dir nicht so viele Gedanken. Du musst runter und den Laden öffnen, und ich selbst muss das hier tun.«
»Lass mich hier bleiben.«
Er schüttelte den Kopf und angesichts des Blickes, den die beiden tauschten, schluckte Eve erstaunt. Das, was sie hier sah, verriet mehr als eine Beziehung rein sexueller Art. Es war Liebe. Es war die völlige Hingabe an den jeweils anderen.
Eigentlich hätte es lächerlich wirken müssen, wie Isis ihren Prachtkörper, um Chas zu küssen, zu ihm hinunterbeugen musste. Stattdessen war der Anblick geradezu schmerzlich schön.
»Du brauchst nur zu rufen«, erklärte sie ihm. »Du brauchst meine Nähe nur zu wünschen.«
»Ich weiß.« Er tätschelte ihr begütigend die Hand und schickte sie hinaus. Sie bedachte Eve mit einem letzten aufgebrachten Blick und rauschte aus dem Raum.
»Ich bezweifle, dass ich ohne sie überlebt hätte«, erklärte Chas und starrte auf die Tür. »Sie sind eine starke Frau, Lieutenant. Sicher fällt es Ihnen schwer, diese Art der Bedürftigkeit, der Abhängigkeit zu verstehen.«
Früher hätte sie ihm unumwunden Recht gegeben. Inzwischen jedoch war sie sich längst nicht mehr so sicher. »Ich würde dieses Gespräch gerne aufnehmen, Mr. Forte«, wich sie einer Antwort aus.
»Ja, natürlich.« Er nahm Platz, schenkte ihnen, während Peabody
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