Der Kuss des Killers
sehen. »Du willst Gerechtigkeit und du wirst sie bekommen. Bei Gott, ich werde sie für dich erreichen. Geht es dir aber um Rache, schicke ich dich dafür in den Kahn. Denk an das, wofür dein Opa eingestanden hat und an das, was deine Schwester war. Lass dir das alles noch mal in Ruhe durch den Kopf gehen. Und jetzt hau endlich ab.«
»Ich habe die beiden geliebt.« Tränen schossen ihm in die Augen und er riss sich von ihr los. »Zum Teufel mit Ihrer Gerechtigkeit. Zum Teufel mit Ihnen. «
Sie ließ ihn gehen, denn obwohl seine Sprache die eines Erwachsenen gewesen war, wiesen die Tränen ihn als Kind aus.
»Der Junge leidet«, murmelte Peabody.
»Ich weiß.« Ebenso wie sie. »Gehen Sie ihm nach, um sicherzustellen, dass er sich nicht in irgendwelche Schwierigkeiten bringt. Warten Sie eine halbe Stunde, bis er sich halbwegs beruhigt hat, und dann melden Sie mir Ihre Position, damit ich Sie abholen kann.«
»Und Sie sprechen in der Zeit mit Isis?«
»Ja. Wollen doch mal sehen, was sie und Lobar einander zu sagen hatten. Oh, und Peabody, passen Sie auf. Jamie ist wirklich clever. Wenn er einen von Roarkes Männern entdeckt hat, entdeckt er sicherlich auch Sie.«
Peabody spendierte ihr ein breites Lächeln. »Ich glaube, ich werde es schaffen, eine Zeit lang hinter einem Jungen herzulaufen, ohne dass er mich gleich bemerkt.«
Im Vertrauen darauf, dass ihre Assistentin Jamie vor Schwierigkeiten würde bewahren können, betrat Eve das Spirit Quest. Die Oktobersonne brach sich in leuchtenden Farben in mehreren aufgehängten Prismen und die Luft war erfüllt vom Duft diverser Räucherstäbchen und dem geschmolzenen Wachs Dutzender von Kerzen.
Der Blick, den Isis ihr zuwarf, stand in krassem Gegensatz zu dem einladenden, exotischen Ambiente, das sie in dem Geschäft umgab.
»Sind Sie mit Chas fertig, Lieutenant?«
»Fürs Erste. Ich würde mich gern auch kurz mit Ihnen unterhalten.«
Isis beantwortete die Frage einer Kundin über eine Kräutermischung zur Verbesserung des Gedächtnisses. »Lassen Sie sie fünf Minuten ziehen und dann verdünnen Sie sie etwas. Sie müssen mindestens eine Woche lang täglich davon trinken. Lassen Sie es mich wissen, falls es dann noch nicht gewirkt hat.« Sie wandte sich wieder an Eve. »Wie Sie sehen können, haben Sie einen denkbar schlechten Zeitpunkt ausgewählt.«
»Ich fasse mich kurz. Ich interessiere mich lediglich für den Besuch, den Lobar Ihnen ein paar Tage vor seinem unrühmlichen Ende hier abgestattet hat.«
Trotz ihrer ruhigen Stimme machten diese Sätze Isis deutlich, dass sie mit ihr sprechen würde, egal, ob unter vier Augen oder notfalls in der Öffentlichkeit. Einzig die Entscheidung über den Ort lag bei der anderen Frau.
»Ich glaube nicht, dass ich Sie falsch beurteilt habe«, erklärte Isis leise, »aber Sie rufen Zweifel an mir selbst in meinem Innern wach.« Sie winkte einer jungen Frau, die Eve von der Hexenfeier am Vorabend kannte. »Jane wird sich so lange um die Kundschaft kümmern«, sagte sie zu Eve und steuerte auf das Hinterzimmer zu. »Aber ich will sie nicht zu lange allein lassen. Sie ist noch neu.«
»Dann ist sie also der Ersatz für Alice.«
Isis’ Augen brannten. »Niemand könnte Alice je ersetzen.«
Sie betraten ein Zimmer, das wie eine Mischung aus Büro und Lager wirkte. In den Plastikregalen lagen Wasserspeier, Kerzen, versiegelte Dosen mit getrockneten Kräutern sowie mit verschiedenfarbigen Flüssigkeiten gefüllte durchsichtige Flaschen.
Auf dem kleinen Schreibtisch standen ein hochmoderner Computer und ein ebenso modernes Kommunikationssystem. »Wirklich tolle Ausstattung«, bemerkte Eve. »Sehr zeitgemäß.«
»Wir haben nichts gegen moderne Technologie, Lieutenant. Wie passen uns an die jeweiligen Zeiten an und nutzen, was uns zur Verfügung steht. So war es von jeher.« Sie winkte in Richtung eines Stuhls mit einer hohen, mit Schnitzereien verzierten Rückenlehne und setzte sich selbst in einen mit flügelförmig geschnitzten Armlehnen bestückten Sessel. »Sie haben gesagt, Sie würden sich kurz fassen. Aber erst muss ich von Ihnen wissen, ob Sie Chas von jetzt an in Ruhe lassen werden.«
»Mein oberstes Ziel ist nicht der Seelenfrieden eines Verdächtigen, sondern der Abschluss eines Falles.«
»Wie können Sie ihn nur verdächtigen?« Sie umklammerte die Lehnen ihres Sessels und beugte sich nach vorn. »Gerade Sie sollten Verständnis für das haben, was er durchlitten hat.«
»Seine Vergangenheit könnte
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