Der Kuss des Killers
einem anderen Ort.« Sie sah ihn reglos an. »In einem anderen Leben. Wobei das meine von Ihnen gerettet worden ist. «
»Das war sehr weise von mir.«
»Ja. Und freundlich. Vielleicht kehren Sie ja eines Tages noch mal in die Grafschaft Cork zurück und sehen dort einen kleinen Stein, der ganz allein auf einem fahlen Feld herumtanzt… dann werden Sie sich erinnern.« Sie nahm ein Silberkreuz von ihrem Hals und hielt es ihm hin. »Sie haben mir damals einen Talisman gegeben. Ähnlich diesem Keltenkreuz. Ich nehme an, das ist auch der Grund, weshalb ich es heute trage. Um einen Kreis zu schließen.«
Das Metall lag ungewöhnlich warm in seiner Hand und rief tatsächlich verschwommene Erinnerungen in ihm wach, die er lieber sofort wieder verdrängte. »Danke.« Er steckte die Kette in die Tasche.
»Eines Tages darf ich den mir von Ihnen erwiesenen Gefallen erwidern.« Sie wandte sich an Eve. »Ich werde mit Ihnen reden, wann immer Sie wollen. Chas?«
»Natürlich, wann immer es Ihnen genehm ist, Lieutenant Dallas. Werden Sie an unserer Zeremonie teilnehmen? Wir würden Sie sehr gern daran teilhaben lassen. Übermorgen Abend. Nördlich von New York haben wir ein kleines Grundstück. Es ist dort sehr ruhig, und wenn das Wetter mitmacht, für Rituale im Freien geradezu perfekt. Ich hoffe, Sie – «
Er brach ab, seine schönen Augen wurden dunkel und sein schmaler Körper nahm eine wachsame Haltung an. »Er ist keiner von uns.«
Sie blickte sich um und entdeckte einen Mann in einem dunklen Anzug. Um sein kreidiges Gesicht lag dichtes schwarzes Haar. Mit der bleichen Haut und dem teuren Anzug wirkte er gleichermaßen kränklich wie erfolgreich.
Er kam in Richtung Sarg, sah das dort bereits versammelte Grüppchen und machte auf dem Absatz kehrt.
»Ich werde die Sache überprüfen.«
Roarke kam ihr eilig nach. »Wir werden die Sache überprüfen.«
»Es wäre besser, wenn du drinnen bei den anderen bleiben würdest.«
»Ich bleibe bei dir.«
Sie schnaubte frustriert. »Eng mich bloß nicht in meiner Arbeit ein.«
»Das würde mir nicht im Traum einfallen.«
Der flüchtende Mann hatte die Tür beinahe erreicht und als Eve ihn leicht am Arm berührte, zuckte er zusammen. »Was? Was wollen Sie von mir?« Er wirbelte herum, drückte die Tür mit dem Rücken auf und schob sich rückwärts in die regnerische Dunkelheit hinaus. »Ich habe nichts getan.«
»Nein? Für einen unschuldigen Menschen hat er eine ziemlich schuldbewusste Miene, findest du nicht auch?«, fragte sie ihren Mann und packte den Fremden, damit er nicht noch weiter flüchten konnte, wenig sanft am Arm. »Sie sollten mir mal Ihren Ausweis zeigen.«
»Ich brauche überhaupt nichts.«
»Das ist auch nicht nötig«, erklärte Roarke mit ruhiger Stimme, denn inzwischen hatte er sich den Kerl etwas genauer angesehen. »Thomas Wineburg, nicht wahr? Von Wineburg Financial. Sie haben wirklich einen ganz besonderen Blutsauger geschnappt, Lieutenant. Einen Banker. Dritte Generation? Oder bereits die vierte?«
»Die fünfte«, verbesserte Wineburg und bemühte sich, auf den Menschen herabzusehen, dessen Reichtum nach Meinung seiner Familie allzu neu und obendrein nicht ganz anständig verdient war. »Und ich habe nichts getan, weswegen ich von einer Polizistin und einem Geldhai wie Ihnen belästigt werden müsste.«
»Ich bin die Polizistin«, beschloss Eve und wandte sich an Roarke. »Dann bist du sicher der Geldhai.«
»Er ist nur sauer, weil ich nicht seine Bank benutze.« Roarke grinste breit. »Nicht wahr, Tommy?«
»Ich habe Ihnen nichts zu sagen.«
»Tja, dann reden Sie einfach mit mir. Weshalb hatten Sie es eben plötzlich derart eilig?«
»Ich – ich habe noch eine Verabredung, die ich vergessen hatte. Ich komme sonst zu spät.«
»Dann schaden ja ein paar Minuten mehr sicher nicht mehr. Sind Sie ein Freund der Familie der Verstorbenen?«
»Nein.«
»Oh, ich verstehe, dann wollten Sie sich also an diesem regnerischen Abend die Zeit dadurch vertreiben, dass sie auf eine Totenwache gehen. Ich habe schon gehört, dass das unter den Singles ein neuer Trend ist. «
»Ich – ich hatte mich in der Adresse vertan.«
»Das glaube ich nicht. Weshalb sind Sie hier? Was oder wen wollten Sie sehen?«
»Ich – « Er riss erschreckt die Augen auf. »Kommt ja nicht näher. «
»Verzeihung, Dallas«, sagte Isis, die zusammen mit Chas durch die Tür getreten war. »Wir haben uns Sorgen gemacht, als Sie nicht zurückkamen.« Dann wandte sich Isis mit
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