Der Kuss des Killers
geschlossen. Sie war meine Patentochter und du erzählst mir nicht mal, dass du denkst, dass sie von irgendeinem Hurensohn ermordet worden ist? Du hast mich nicht nur nicht in die Ermittlungen mit einbezogen, sondern mich obendrein auch noch belogen. Du hast mir ins Gesicht gesehen und mich eiskalt belogen.«
Ihr Magen war nur noch ein eisiger Klumpen. »Ja.«
»Du denkst, sie wäre unter Drogen gesetzt, vergewaltigt und ermordet worden und klärst mich nicht darüber auf?«
Er hatte sich die Akten, die Berichte angesehen. Sie waren versiegelt und kodiert gewesen, aber das hatte ihn, sobald ihm ein Verdacht gekommen war, nicht daran gehindert, sie sich trotzdem anzusehen. Offenbar hatte der Anblick von Wineburgs Leiche am Vorabend diesen Verdacht in ihm geweckt.
»Ich konnte nicht anders«, erklärte sie tonlos. »Selbst, wenn ich nicht auf Befehl gehandelt hätte, hätte ich nicht anders gekonnt. Du standest ihr einfach zu nahe. Da es bei den Ermittlungen um Menschen geht, die dir sehr nahe stehen, bist du nicht objektiv.«
»Wie zum Teufel willst du wissen, wie es ist, wenn einem Menschen nahe stehen?«, brüllte er sie an und sie zuckte zusammen.
Ja, es wäre ihr tatsächlich lieber, trommelte er mit beiden Fäusten auf sie ein.
»Außerdem, was heißt Befehl?«, fuhr er verbittert fort. »Was soll das heißen, dass du auf Befehl gehandelt hast? Ist das alles, worum es für dich geht, Dallas? War das auch der Grund dafür, dass du mich wie einen blöden Anfänger behandelt hast? Mach Urlaub, Feeney. Nimm das tolle Haus von meinem reichen Mann in Mexico.« Er schnaubte verächtlich. »Das hätte dir gut in den Kram gepasst, nicht wahr? Auf diese Weise wärst du mich endlich losgeworden, weil ich dir in diesem Fall nicht nützlich bin.«
»Nein. Himmel, Feeney – «
»Ich war immer auf deiner Seite.« Plötzlich wurde seine Stimme leise und am liebsten hätte sie hemmungslos geweint. »Ich habe dir vertraut. Ich habe mich jederzeit, an jedem Ort blind auf dich verlassen. Aber damit ist es jetzt vorbei. Du bist gut, Dallas, aber eiskalt. Fahr zur Hölle.«
Schweigend blickte sie ihm nach, als er aus ihrem Büro marschierte und die Tür hinter sich offen ließ. Was hätte sie auch sagen sollen? Er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen, dachte sie erschüttert. Hatte sie als das Wesen beschrieben, das sie tatsächlich war.
»Dallas.« Peabody kam den Flur heraufgelaufen. »Ich konnte nicht – «
Eve brachte sie dadurch zum Schweigen, dass sie sich stumm abwandte und langsam und gleichmäßig aus -und einzuatmen begann, bis ihre Eingeweide wieder an ihrem Platz waren. Immer noch tat ihr alles weh. Das Büro war noch erfüllt von Feeneys Geruch. Vom Geruch des blöden Aftershaves, das er regelmäßig von seiner Frau geschenkt bekam.
»Holen Sie Ihre Sachen. Wir sehen uns noch mal im Haus von Wineburg um.«
Peabody öffnete den Mund und klappte ihn wortlos wieder zu. Selbst wenn sie gewusst hätte, was sie sagen sollte, wäre eine Bemerkung offensichtlich nicht willkommen. »Sehr wohl, Madam.«
Eve wandte sich ihr wieder zu. Ihr Blick war reglos, kühl, gefasst. »Dann machen wir uns am besten umgehend auf den Weg.«
13
B is sie schließlich heimkam, hatte sich ihre Laune tatsächlich noch verschlechtert. Sie hatte Wineburgs Haus von innen nach außen gekehrt, hatte sämtliche Schritte der Spurensicherung noch einmal wiederholt. Drei Stunden lang hatten sie und Peabody Schränke und Schubladen durchwühlt, Kalender durchgesehen, Anrufe abgehört.
Sie hatte zwei Dutzend fast identischer dunkler Anzüge, Schuhe, in deren strahlendem Glanz sich ihr eigenes Stirnrunzeln gespiegelt hatte, sowie eine unglaublich langweilige Sammlung von Musik-CDs gefunden. Auch der Inhalt seines Safes war nicht sehr aufschlussreich gewesen. Zweitausend in bar, weitere zehntausend in Kreditchips und eine ausgedehnte Sammlung pornografischer Hard-Core-Videos gaben zwar gewissen Aufschluss über Wineburg als Mann, jedoch nicht über seinen Mörder.
Er hatte kein persönliches Tagebuch geführt und in seinem Terminkalender war über die Inhalte der dort notierten beruflichen oder privaten Treffen so gut wie nichts vermerkt. Die Ordnung seiner Finanzen entsprach der eines Mannes, der beruflich mit Geld zu tun hatte. Sämtliche Ausgaben und Einnahmen waren sorgfältig notiert. Obgleich die großen, im Verlauf der letzten beiden Jahre von Wineburgs langweiligem Leben regelmäßig alle zwei Monate getätigten Barabhebungen Eve
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