Der Kuss Des Kjer
Unfreien zu sprechen. Ansonsten könnt Ihr innerhalb meines Zeltes tun, was Ihr wollt. Esst, ruht Euch aus! - Ich werde erst zurückkommen, wenn die Sonne untergeht. Ihr werdet meine Anwesenheit also den ganzen Nachmittag nicht ertragen müssen.« Flappend ließ er das Leder hinter sich an seinen Platz zurückfallen.
*** 18 ***
Er starrte auf die Nachricht in seiner Hand. Das fordernde Krächzen des Vogels entging ihm. Die Maus hockte in ihrem Käfig und blickte die große schwarze Kreatur starr vor Angst an. Noch einmal las er die einzelne Zeile. Fünf Worte, die alles gefährdeten, worauf er während mehr als der Dauer eines Menschenlebens hingearbeitet hatte. Er wusste genau, von wem die Botschaft sprach. Und dieser Stümper war nicht in der Lage gewesen, es zu verhindern. Heftig zerknüllte er den Pergamentstreifen und warf ihn in den Feuertiegel auf dem Tisch.
Dabei war der Befehl eindeutig gewesen! Dass ausgerechnet er ... Verflucht sollte er sein, Bastard-Brut, die er war! Was, wenn die beiden das Band zwischen Seelenhexe und Cogén bereits auf die alte Art geknüpft hatten? Noch einmal durfte sich das, was bei Aslajin und ihren Cogén geschehen war, nicht wiederholen! Aber vielleicht war noch nicht alles verloren. Die beiden mussten getrennt werden! Augenblicklich! Rasch schrieb er eine Nachricht und versiegelte sie. Dann schnippte er mit den Fingern. Der junge kam aus seiner Ecke gekrochen, kauerte sich zu seinen Füßen nieder und blickte mit sturmdunklen, blaugrauen Augen zu ihm auf. Der Bengel war blödsinnig - und genau aus diesem Grund der perfekte Diener für ihn. Er hielt dem jungen die Nachricht hin. »Geh zu den Hallen der Kessanan! Dieser Brief ist für den Hohen Meister Arkell! Du übergibst ihn nur ihm! «
***
Es war schon weit nach Sonnenuntergang, als er zurückkam. Stunde um Stunde war er durch das Lager gestreift, und sehr schnell waren ihm die unzähligen Kleinigkeiten aufgefallen, die davon kündeten, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte. Zuerst hatte er den Finger nicht in die Wunde legen können, doch dann war ihm ein Verdacht gekommen und er hatte seinem Trossmeister einen Besuch abgestattet. Bereitwillig hatte der Mann ihm die Unterlagen überlassen, die er gefordert hatte, und auch seine Fragen waren offen beantwortet worden. Es sollte nicht schwer sein, anhand der Papiere in der ledernen Mappe unter seinem Arm zu beweisen, was bisher nur eine Vermutung war. Und sollte es tatsächlich stimmen, musste Jerdt sich auf einiges gefasst machen. Mailen und Zenaen begrüßten ihn wie immer ehrerbietig und freundschaftlich zugleich. Von der Loyalität dieser beiden Krieger und der ihrer acht Kameraden konnte im Ernstfall sein Leben abhängen, deshalb stand es für ihn außer Frage, dass er sie eher wie Schwertgenossen denn wie Untergebene behandelte.
Ja, bestätigten sie auf seine Frage, die Gefangene, die auf seinen Befehl hin wie ein geehrter Gast behandelt wurde, hatte sich an seine Anweisungen gehalten und nicht versucht, mit den Unfreien zu sprechen, als die das heiße Wasser gebracht hätten.
Still habe sie auf einem Stuhl gesessen und alles beobachtet. Allerdings mit einem Ausdruck in den Augen, so voller Mitleid, dass einem das Herz bluten konnte. Zenaen war bei diesen Worten unter Mordans verblüfftem Blick puterrot angelaufen. Einige Zeit nach Sonnenuntergang habe sie dann gefragt, was wohl mit den Speisen geschah, die sie nicht gegessen habe, und als sie ihr geantwortet hätten, dass die Unfreien, die den Tisch abräumen würden, sie unter sich aufteilen durften, habe sie darum gebeten, dass das Mädchen Kaija unter denen sein möge, denen diese Aufgabe übertragen werden würde. Sie hatten dieser Bitte entsprochen, entstand doch dadurch niemandem ein Schaden.
Kopfschüttelnd betrat Mordan sein Zelt. Offenbar hatte sie es jetzt auch noch geschafft, die Zeltwachen um ihre hübschen Finger zu wickeln. Ein entsetzlich schiefes Quietschen drang ihm entgegen.
Sie war so mit dem Ding auf ihrem Schoß beschäftigt, dass sie ihn gar nicht bemerkte. Das nasse Haar offen, wohl damit es rascher trocknete, saß sie mit dem Rücken zu einem der Feuerbecken. Offensichtlich darauf bedacht, nicht die hintere Lehne zu berühren, bemühte sie sich, die Saiten einer Asranéh nur nach dem Gehör zu stimmen. Wieder erklang ein misstönendes Schrillen. Sie zog auf die ihm inzwischen so vertraute Art die Unterlippe zwischen die Zähne und lockerte den Wirbel wieder ein wenig. Einen
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