Der Kuss Des Kjer
Ein Flüstern und Zischeln war plötzlich überall.
Ihr gegenüber stemmte Jerdt sich aus dem Wasser, Mordans Hand an seinem Bein riss ihn zurück. Wieder verschwanden sie unter der Oberfläche, wieder durchschnitt der bleiche Schatten das Wasser. Aus der Tiefe stieg roter Nebel empor.
»Gleich ist es so weit! Dann ist mein Herr frei! «, zischte Ladakh triumphierend, sein Atem fuhr heiß über ihren Hals. Lijanas' Hand schloss sich um die Phiole unter ihrem Gürtel. Der Stein unter ihr zitterte. jäh durchbrach auf der anderen Seite Mordan mit einem Keuchen die Oberfläche des Sees, zog sich mühsam über den Rand, wie ein Speer fuhr ein fahler Schleier von hinten durch seine Brust ... »Nein! « Mit einem Schrei warf Lijanas sich vorwärts.
Ladakhs Finger schlossen sich in ihrem Haar, rissen sie zurück, ihre Hand schlug gegen den Fels, die Phiole entglitt ihr, prallte auf den Boden, der Verschluss sprang auf, sie rollte träge über den Rand, versank als Glitzern in der Tiefe. Plötzlich war der Schleier fort - und Mordan brach in einer Lache aus Blut und Wasser zusammen. Sie schlug ihre Fingernägel in den Handrücken des Hathenan, hörte Ladakh aufheulen, machte sich mit einem Ruck frei. Die Tränen brachen sich endgültig vor Schmerz Bahn, sie stieß ihm beide Hände vor die Brust, als er abermals nach ihr greifen wollte, die Erde bäumte sich auf, sie sah, wie er wankte und dann mit einem Schrei in das schäumende Wasser stürzte. Lijanas raffte ihr Kleid, hastete zu der Stelle, wo Mordan reglos lag, beugte sich über ihn. Sein Körper war wie Eis und ohne Leben. Kälte zerrte an ihrem Inneren.
»Nein! « Das Wort war nur ein Hauch. Ihre Finger krallten sich in seine Brust, zerrten an seiner Tunika auf der Suche nach einer Wunde - nichts. Sie packte seine Schultern, schüttelte ihn, schrie seinen Namen, stammelte Worte, die sie selbst nicht verstand jäh dehnte seine Brust sich in einem keuchenden Atemzug, er riss das Auge auf - für den Bruchteil eines Herzschlags war es ein schwarzer Abgrund voller wirbelnder Schatten. - Dann zog sich die Finsternis zurück und es hatte wieder die blaugraue Farbe eines Sturmhimmels. Lijanas schlang die Arme um ihn und presste sich an ihn, während er weiter in harten Stößen nach Atem rang. Die Wärme kehrte in ihr Inneres zurück. Hinter ihr wallte das Wasser gischtend auf, floss über den Rand des Sees. Sie spürte, wie Mordan sie von sich schob, taumelnd auf die Füße kam und sie hastig ebenfalls vom Boden hochzog, fort vom See, aus dem sich träge krankfahler Dunst erhob.
Noch immer atemlos packte Mordan sie an den Armen, beugte sich zu ihr vor, dass sein Gesicht auf gleicher Höhe mit ihrem war. »Was auch immer du hier für Ladakh und Jerdt getan hast! Mach es rückgängig!«, verlangte er erneut. Aus dem See drang ein Heulen. Er musste brüllen, um es zu übertönen.
» Ich weiß nicht wie! «, schrie sie verzweifelt dagegen.
Mattweißer Schatten waberte keinen Schritt von ihnen über den Fels, bewegte sich wie tastend. Sie suchten hinter dem Steintisch Schutz. »Denk nach! Bei allen Rachegeistern, denk nach! Du hast einen Dämonengott der Hathenan befreit! Wenn dir nicht einfällt, wie du das wieder rückgängig machen kannst, werden unsere Völker bald in Blut ertrinken! «
Hilflos schluchzte Lijanas in seinem Griff. »Ich weiß es nicht! Ich würde meine Seele da ... « Das Wispern von Seelen, gerufen von der weißen Schlange. - >Wenn Ihr keine Seelenhexe seid ... < ->Ihr seid eine wahre Erbin der weißen Schlange< - Gleißen sammelt sich zu schimmernden Perlen... - Ihre Hand umklammerte verzweifelt ihre Kehle, krallte sich in das Geflecht aus Perlen. -Das Gleißen - gefangene Seelen - gefangen in schimmernden Perlen.
Wie in einem Traum löste sie sich aus Mordans Griff und trat an den Rand des Sees, schüttelte seine Hände ab, als er sie daran hindern wollte. Sie sah, dass seine Lippen sich bewegten, als er ihr etwas zuschrie. Doch sie konnte ihn nicht hören.
Langsam hob sie die Hände. Woher sie wusste, wie sie die Seelen jener rufen musste, die schon einmal geholfen hatten, den Gott der Hathenan zu bannen, konnte sie nicht sagen - und doch war es in ihr. Sie rief - und ihr Ruf wurde beantwortet.
Eine nach der anderen lösten die Perlen sich zu flüssigem Gleißen auf. Rannen als lebendig gewordener Frost über ihre Haut. Wispern und Raunen war mit einem Mal in der Luft. Plötzlich war sie gefangen in einem Sturm aus Eis und Hass. Kälte
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