Der Kuss Des Kjer
zerrte an ihr, riss an ihrer Seele. Zahle den Preis! Zahle den Preis!, verlangte ein schauerliches Zischeln. Etwas in ihr schien zu erfrieren. Es war wie in jener Nacht in den Bergen.
Sie war gefangen in Schwärze und Finsternis. Flüstern und Heulen um sie herum.
Zahle den Preis! - Ich zahle den Preis, aber ihr werdet mir dienen! Gelächter erklang.
Die Kälte durchdrang sie. Lijanas sah, wie die Zeichen, die sie zuvor ausgelöscht hatte, eines nach dem anderen wieder aufflammten -und mit jedem Zeichen stahl das Eis ein Stück mehr ihres Lebens. Ein schauerliches Kreischen erfüllte die Felsenkuppel, Steinbrocken regneten von der Decke, die Erde bebte. Zischelnd und lachend zerrten sie an ihr, rissen ihre Seele aus ihrem Körper. Über dem See schloss sich der Spiegel aus Eis. Das letzte Zeichen flammte auf In das Kreischen eines Gottes mischte sich ein triumphierendes Heulen. Sie taumelte, sah, wie ihr Körper wankte - und plötzlich verwoben sich kräftige Finger mit ihren. Sie sank gegen eine fegte Brust, tauchte in Wärme, wurde eingehüllt von einem ruhigen Pochen, stetig und stark. Gehalten von seinem Leben! Eins!
Wütendes Heulen erklang. Die Seelen, die sie gerufen hatte, fühlten sich um ihren Preis betrogen - doch sie hatten keine Macht mehr über sie. Die Gewissheit, dass ihr nichts geschehen konnte, solange Mordan bei ihr war, brachte etwas tief in ihrem Inneren zum Singen. Die Seelen kreischten.
Einen Moment später stürzte ein Felsbrocken von der Decke, zermalmte eine Säule, Splitter spritzten in alle Richtungen, Mordan stieß sie nieder, warf sich über sie, zog sie wieder auf die Füße und rannte mit ihr durch ein Chaos aus berstendem Stein, aus dem Boden züngelnden Flammen und Staub.
»Ahmeer!« Lijanas stolperte, stemmte sich gegen seine Hand. Er drehte sich um, sah sie an, der Ausdruck in seinem Auge veränderte sich.
»Wo?«
»Da hinten! Beim See! « Sie deutete in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
Für die Dauer eines Atemzugs zögerte er, dann: »Lauf weiter! Ich hole ihn! « Wie ein Schatten war er im Chaos verschwunden. Krachend fraß sich ein Riss durch die ganze Länge der Kuppeldecke. Lijanas warf sich herum und rannte. Das Kreischen war verstummt.
Die Sonne ging gerade als trübe Scheibe auf, als endlich auch das Wanken der Felsen nachließ. Schwerfällig stemmte Mordan sich vom Boden hoch und blickte zu dem von Felsbrocken verschütteten Eingang des alten Tempels. Er hatte einmal kurz zurückgesehen, als er Prinz Ahmeer durch diesen Wahnsinn aus zerreißendem Fels und splitterndem Gestein getragen hatte. Die Steinsäulen waren umgestürzt und auch der Steintisch war zerschlagen; zuletzt war die gesamte Deckenkuppel eingebrochen.
Er presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und ballte die Faust. - Die einzigen Männer, die ihm hätten sagen können, wer seine Eltern waren, lagen unter Unmengen von Gestein begraben. Haffren, ermordet von seinem eigenen Sohn, und Jerdt ... Jerdt war von etwas wie einem fahlen Schatten in die Tiefe gezogen worden - und dann war eine Wolke aus Blut unter ihm aufgestiegen ... Welche Ironie, dass Jerdt offenbar jener Kreatur zum Opfer gefallen war, die er hatte befreien wollen.
Müde rieb er sich übers Gesicht. All das nur, um einen blutrünstigen Gott zurückzuholen. Und Haffren hat nicht bemerkt, dass Jerdt und Ladakh ihn benutzt haben. Das Volk der Kjer wieder groß machen ... < Pah! Jerdt hat es mit Haffrens Tod in den Untergang gestürzt. - Die Königin ist verrückt! Sie kann nicht herrschen, und es gibt keinen Erben, da sie ihr einziges Kind getötet hat. Die Clans werden sich erheben und einander im Kampf um die Macht zerfleischen. Er verzog den Mund. Und ein Bruderkrieg wird mein Volk so sehr schwächen, dass es eine leichte Beute für die Nivard und Edari ist. - Wenn Raulen es schafft, meine Zenturien rechtzeitig nach Turas zu bringen, ehe die Clansherren hiervon erfahren, kann ich vielleicht noch für ein paar Mondläufe - allerhöchstens für einen Winter - so etwas wie Ordnung aufrechterhalten, aber dann ... -Jerdt, du verdammte Ratte, wenn du nicht schon tot wärst, würde ich dich jetzt umbringen. - Es gibt für uns nur eine Möglichkeit: Wir müssen Frieden mit den Nivard schließen! Er schloss das Auge und presste den Handballen gegen die Stirn. Und ich kann mir denken, was eine von Rusans Forderungen sein wird. Mit einem bitteren Schnauben fuhr er sich über den Nacken.
Dann kann ich Lijanas auch selbst
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