Der Kuss Des Kjer
schien sie für den Bruchteil eines Herzschlags vor ihm zurückweichen zu wollen. Ihre Augen zuckten zu dem Lederriemen, den er nachlässig unter den Gürtel geschoben hatte, hoben sich dann zu seinem Gesicht. Sie grub die Zähne tiefer in die Lippe, offenbar darum bemüht, seinem Blick nicht auszuweichen, während sie es dann doch zuließ, dass er sie am Handgelenk ergriff.
Wortlos wandte er sich um und zog sie mit sich.
Die Arme ins Wasser getaucht, kniete Lijanas am Rand des kleinen Bachlaufs und genoss die wohltuende Kühle an ihren von den Fesseln aufgeschürften Handgelenken.
Ihre Suche nach den Raupen war erfolglos verlaufen. Oh, sie hatten einige dieser Tiere gefunden - doch bereits seit einigen Tagen in ihren Kokon eingesponnen.
Mordan hatte es mit unbewegter Miene zur Kenntnis genommen und ihr dann befohlen, sich im Bach Levans Blut von Händen und Gesicht zu waschen. Sie schloss die Lider und versuchte den schwarzhaarigen Kjer, der vielleicht einen Schritt hinter ihr stand und sie beobachtete, wenigstens für den Augenblick zu vergessen. Über ihr in den Baumwipfeln plusterten sich Vögel im dunstigen Morgenlicht in ihren Nestern, begrüßten tschilpend den neuen Tag, ehe sie davonflogen, um sich ein Früh, stück aus Maden und Käfern zu suchen. Auf der ganzen Wegstrecke von dem kleinen Lager bis hierher hatte er kein Wort mit ihr gesprochen. Auch ihr Handgelenk hatte er erst losgelassen, als sie den kleinen Bachlauf erreicht hatten. Nun wartete er schweigend und dunkel wie ein Schatten, damit er sie zurückschleppen und sie ihren Weg fortsetzen konnten.
Sie setzte sich auf die Fersen, strich sich das Haar aus der Stirn und machte sich eben daran, mit ihren nassen Fingern die schlimmsten Knoten zu entwirren, als sich unvermittelt Mordans Hand über ihren Mund legte. Ein kaum hörbares Zischen direkt neben ihrem Ohr verhinderte ihren Protest, während er sie, eng an seine Brust gepresst, langsam auf die Füße zog.
»Da! Seht! «
Im ersten Moment wusste Lijanas nicht, was er meinte. Doch dann ... Nur wenige Schritt von ihnen entfernt, beinah gänzlich von den weit ausladenden Ästen eines halb im Wasser stehen, den Baumes und undurchdringlichem Dornengestrüpp verborgen, wallte eine kleine Quelle in einem Bett aus glänzenden Kieselsteinen munter vor sich hin. Eben duckte eine Kreatur von der Größe einer Katze sich langsam aus einem dichten Gebüsch am Rand des Kieselsteinbeckens hervor und schlich - durch die tief hängenden Zweige kaum zu sehen - auf kleinen, krallenbewehrten Klauen wachsam zum Wasser hin. Ihr Körper war bis hinunter zu der Spitze des schmalen, fast Schritt langen Schwanzes mit grünblau schimmerndem, seidigem Fell bedeckt, das glatt über den feinen Muskeln spielte. Ohren in der Farbe eines Sonnenuntergangs und so zart, dass sie Lijanas nicht nur in ihrer Form an die Schwingen eines Schmetterlings erinnerten, bewegten sich unablässig. Schnuppernd hob sich eine schmale Drachenschnauze in die Luft und die junge Frau hielt unwillkürlich den Atem an.
» Wir haben den Wind gegen uns. « Mordans Wispern klang seltsam heiser. »Sie kann uns nicht wittern. «
Das Wesen wandte den schlanken Kopf noch einmal wachsam hierhin und dorthin, eine glänzende Mähne fiel die ganze Länge des eleganten Halses bis weit über den Rücken hinab und schimmerte in jedem Ton von Gelb bis Orange, den man sich nur vorstellen konnte. Dann beugte sich die Kreatur zum Trinken vor - und spreizte hauchdünne Schwingen in allen Farben des Regenbogens.
Lijanas spürte einen Kloß in ihrer Kehle. Nie hätte sie auch nur zu träumen gewagt, dass etwas so Schönes leben könnte. An ihrer Seite beugte Mordan sich trotz Kettenhemd und Waffen lautlos vor, tauchte die hohle Hand ins Wasser und erstarrte.
Nacheinander kamen zwei, drei, vier dieser Wesen aus dem Gebüsch getrippelt, keines größer als eine Männerfaust. Ein leises Zirpen und Trällern war um die Quelle herum, während die Kleinen sich neben ihrer Mutter aufreihten, um zu trinken. Ein besonders vorwitziges sprang auf einen Stein, balancierte einen Augenblick wagemutig mit ausgebreiteten Regenbogenflügelchen, drohte abzurutschen, wurde von der Mutter behutsam im Nacken gepackt und auf dem sicheren Boden zwischen ihren Vorderkrallen abgesetzt. Ein winziges Zünglein schnellte hervor und leckte die mit zartem Flaum bedeckte Schnauze des jungen, die sich zu ihr emporreckte.
Mordan schien aus einer Trance zu erwachen. Er hob die Hand aus dem Wasser
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