Der Kuss Des Kjer
und Blut auf dem rohen Fleisch zu einer glänzenden Kruste verbacken. Sein Versuch, die Finger zu bewegen, wurde mit blanker Qual quittiert - und das, obwohl er sie kaum krümmen konnte.
Alles, woran er sich erinnerte, war Ireds Schmerzensschrei, dann war die Stute gestürzt, die Wucht des Aufpralls hatte ihm den zierlichen Körper der Heilerin aus dem Arm gerissen und es war dunkel um ihn geworden. Schwerfällig richtete er sich auf, blinzelte angestrengt gegen den beißenden Wind, der das Salz wie fahler Nebel vor sich her über den Boden trieb, sodass es alles mit einem dünnen, glitzernden Leichentuch überzog. Er entdeckte die schlanke Gestalt der jungen Frau gut zwei Armlängen neben sich, ein feiner weißer Schleier hatte sich bereits über ihre Glieder gelegt. Der Mantel war verschwunden, vermutlich fortgeweht. Nur wenig entfernt stand Ired - auf drei Beinen. Vor ihrem Vorderlauf versickerte ein dünnes Rinnsal Blut im Boden. Er stieß mit einem Zischen die Luft aus, mühte sich steif auf Hände und Knie und kroch zu der Heilerin hin. Sie lag halb auf der Seite, die Wange auf das Salz geschmiegt, die ungeschützte Haut schon von der Sonne gerötet. Unter ihrer Stirn waren die weißen Kristalle rot gefärbt. Behutsam drehte er ihren Kopf Ihre Schläfe war aufgeschürft, darüber klaffte, halb verborgen von ihrem Haar, eine Platzwunde und über allem lag ein glitzernder Schorf aus Blut und Salz. Besorgt hielt er ihr die Finger vor Mund und Nase, sie atmete noch.
Den Rachegeistern sei Dank! - Sie braucht Wasser!
Unbeholfen kämpfte er sich endgültig auf die Füße, wankte zu Ired hinüber. Ein Fluch entrang sich ihm, als er den Wasser, schlauch an ihrer Seite sah. Er spürte, wie die Kruste auf seinen Lippen aufplatzte und nässte. Der raue Boden hatte das Leder bei ihrem Sturz regelrecht aufgeschlitzt.
Ohne dass er es merkte, gaben seine Beine unter ihm nach.
***
Mit einem Knarren, auf das ein dumpfes Krachen folgte, schlossen sich die mächtigen Tore von Cavallin hinter den Reitern. Sofort klang das wütende Heulen des Sturms gedämpfter, auch wenn das uralte Holz unter seinem zornigen Angriff in den Angeln ächzte. Ein Raunen ging durch die Reihen der Wächter, als sie erkannten, wen sie da im letzten Moment eingelassen hatten - Kjer-Krieger, deren mächtige Ashentai-Kriegsrösser unruhig auf dem Lehmboden der Torhalle Cavallins tänzelten.
»Ihr könnt den Ahnenseelen danken, dass wir Euch bei den Salzwirbeln noch bemerkt haben, Fremde. Hätten wir Euch nicht mehr gesehen und die Tore geschlossen, hätte das Salz Euch das Fleisch zerfetzt und nach dem Sturm hätten wir kaum mehr als Eure blanken Knochen gefunden - vielleicht noch nicht einmal das. «
Einer der Männer stützte sich auf seine Hellebarde und schaute zu den Reitern auf.
Der älteste der Kjer, ein grauhaariger Krieger mit hellen braunen Augen, nickte ihm zu. »Wir schulden Euch Dank dafür, dass Ihr uns noch eingelassen habt. Mit dem Schließen der Tore zu warten, bis auch wir sie passiert hatten, war nicht ungefährlich für Euch.« Er beugte sich im Sattel vor. Von seinem Mantel rieselten Salzkristalle als weiße Bäche zu Boden. »Könnt Ihr mir sagen, ob zwei Freunde von uns es noch vor dem Sturm hierher geschafft haben? Ein Mann und eine Frau. Er ist ein Krieger wie wir, schwarzes Haar, eine Lederklappe über dem linken Auge. Er reitet ein schwarz flammendes Ashentai. Die Frau ist eine Nivard, schlank, ein Stück kleiner als er. Sie hat grüne Augen und ihr Haar hat die Farbe von Mitternachtsfeuer.«
Die Wächter tauschten Blicke, schüttelten den Kopf. »Nicht, seit wir hier Dienst tun
- und das ist schon seit der dritten Stunde nach Mittag.«
» Dann werden sie noch kommen. «
»Eure Zuversicht ehrt Euch, Krieger, aber ich fürchte, ich muss Euch die Hoffnung nehmen. Was jetzt noch jenseits dieser Tore lebt, gehört der Salzwüste - und die gibt nicht mehr her, was sie einmal in ihren Fängen hat. Zudem werden die Tore erst dann wie, der geöffnet, wenn der Sturm vorbeigezogen ist. «
Die Kjer sahen einander an. »Ihr verurteilt unsere Freunde zum Tod.« Der grauhaarige Krieger zog eine Geldkatze unter seinem Mantel hervor. »Was wollt Ihr dafür, dass Ihr die Tore für sie noch einmal öffnet?«
Langsam schüttelte der Wächter den Kopf »Sosehr ich das Schicksal Eurer Freunde bedaure: Diese Tore werden erst dann wieder geöffnet, wenn der Sturm vorbeigezogen ist! - Und daran wird auch Euer Geld nichts ändern. Sie
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