Der Kuss Des Kjer
würden selbst dann geschlossen bleiben, wenn die weiße Hexe persönlich davorstünde.«
»Und was ist mit der kleinen Ausfallpforte hier?« Die Hand des älteren Kriegers wies auf eine schmale, niedrige Tür, die in einen der mächtigen Torflügel eingelassen war.
»Auch die bleibt geschlossen! - Ihr könnt die Hand vom Schwert nehmen, Krieger.
Auch mit Gewalt werdet Ihr nichts erreichen. Sucht Euch ein Quartier und ehrt den Tod Eurer Freunde, wie Ihr es nach Euren Bräuchen tut. Etwas anderes bleibt Euch nicht! «
***
»Zu stur, um unter der Peitsche zu krepieren, Unfreienhund?! « Ein seltsames Wispern war in der Luft, es klang so ganz anders als das Hohngelächter der Soldaten, das in seinen Ohren gehallt hatte, als sie ihn an die Schrägbalken fesselten. Er hatte nicht die Kraft, die Augen zu öffnen. Jerdts Finger gruben sich in seine Kehle, zwangen seinen Kopf in den Nacken. » Immer noch zu stolz, um um deinen Tod zu betteln?« Nur mühsam gelang es ihm, sich aus dem Strudel aus Hitze und Durst freizukämpfen. Da war tatsächlich eine Berührung an seinem Hals, in seinem Haar.
Endlich schaffte er es, das Auge zu öffnen. Der Wind wirbelte das Salz auf und verwandelte die Luft um ihn herum in nebliges Weiß. Er wandte den Kopf Ireds Nüstern waren direkt vor seinem Gesicht, sie schnaubte ihn an. Ein Zittern lief über seine Glieder, als er begriff, dass er nicht vor Jarats Heerführerzelt an ein Strafkreuz gefesselt fiebernd in der sengenden Mittagshitze hing, Jerdt mit der Peitsche neben sich, sondern dass er sich in der Salzwüste befand. Allein mit der Heilerin Lijanas!
Ohne Wasser!
Salz brannte ihm in Auge, Mund und Nase. Sein Blick ging zum Vorderbein der Stute, das sie vorsichtig erhoben hielt. Zwischen Fessel und Knie war ein tiefer Schnitt, der schwach blutete. Wo auch immer sie sich die Verletzung zugezogen hatte
- gerade eben bei ihrem Sturz oder schon, als das Salz unter ihnen eingebrochen war
-, reiten konnte man sie im Moment nicht mehr. Hölzern zog er sich am Steigbügel in die Höhe - auch an ihrer Schulter war die Haut abgeschürft und das Fleisch zu sehen.
Er löste den Gurt, zerrte den Sattel von Ireds Rücken und ließ ihn achtlos zu Boden fallen. Dann nahm er ihr das Zaumzeug ab - ein mühseliges Un, terfangen, da er die rechte Hand noch immer nicht gebrauchen konnte - und versetzte ihr einen Schlag gegen den Hals. Allein kam sie vermutlich besser zurecht. » Lauf! Verschwinde! «
Ireds Ohren zuckten, sie stieß den Kopf gegen seine Schulter was ihn fast das Gleichgewicht gekostet hätte - und rieb die Stirn an seiner Brust. Verblüfft starrte er sein Kriegsross an. Noch nie zuvor war die Stute ihm so nah gekommen, ohne dass sie dabei versucht hätte, ihn zu beißen oder zu treten. Mit einem Gefühl des Bedauerns trat er einen Schritt zurück, versuchte das Tier mit einer scheuchenden Geste zu verjagen. Ired schnaubte nur und stand weiter ruhig da.
Kopfschüttelnd wandte Mordan sich ab und kniete neben der Heilerin nieder. Sie atmete langsam und keuchend, doch abgesehen von der Kopfwunde und ein paar Schrammen schien sie unverletzt - dennoch war sie noch nicht wieder bei Bewusstsein. Er musste kein Heiler sein, um zu wissen, dass das kein gutes Zeichen war. Einen Augenblick drückte er sein Gesicht in den Ärmel seiner Tunika, dann sah er auf und in das Gleißen hinaus. Zwischen den Schleiern aus Salznebel und flimmernder Hitze war ein dunkler Schatten in der Ferne auszumachen - die Salzzinnen. Und irgendwo in dieser Richtung lag auch Cavallin. >Zu stur, um unter der Peitsche zu krepieren<, hatte Jerdt damals gehöhnt. Mordans unverletzte Hand schloss sich zur Faust. Ich habe nicht mehr als hundert Peitschenhiebe und drei Tage am Kreuz, geschweige denn Arkells Schindereien überlebt, um in dieser seelenverfluchten Wüste zu sterben! In einer aufsässigen Bewegung hob er den Kopf, schob das Kereshtai unter dem Gürtel zurecht, hievte mühsam den schlaffen Körper der Heilerin auf seinen Rücken und marschierte los. Ired folgte ihm hinkend.
Wann die Ashentai-Stute die Führung übernommen hatte, wusste Mordan nicht mehr. Schon seit einiger Zeit machte das vom Wind aufgewirbelte Salz ihn blind. Ihre Mähne um die verletzte Hand geschlungen, wankte er neben Ired her, während er mit der anderen die schmalen Handgelenke der Heilerin umklammerte und ihren zierlichen Körper auf seinem Rücken festhielt. Inzwischen jedoch drückte ihr Gewicht ihn immer öfter in die Knie. Zu allem
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