Der Kuss Des Kjer
mich Euch zuerst mit diesem Verband zur Hand gehen. « Ganz behutsam löste die Frau den Leinenstreifen von Lijanas Kopf und beugte sich vor, um die Wunde zu begutachten.
»Nun ja, es könnte schlimmer sein«, meinte sie mit einem mitleidigen Seufzen. Dann holte sie einen kleinen Handspiegel aus der Tasche. »Hier. Seht selbst.« Sie hielt ihr die polierte Silberplatte hin. Mit zitternden Fingern nahm Lijanas ihr den Spiegel ab, betrachtete sich darin - und presste die Lippen aufeinander, um nicht zu stöhnen. Ein glänzender Schorf zog sich über ihre Schläfe abwärts bis fast zum Wangenknochen -
es würde eine Narbe bleiben. Sie spürte Faderas Hand tröstend auf ihrer Schulter.
»Jetzt wascht Euch erst einmal, und wenn Ihr angezogen seid, frisiere ich Euch das Haar. Wollen wir doch mal sehen, ob wir es nicht schaffen, dass den Kerlen nachher der Mund offen stehen bleibt, wenn sie Euch beim Abendessen sehen. « Wie in einem bösen Traum gefangen, tat Lijanas, wie die Frau gesagt hatte. Das Kleid erwies sich als zu weit, was Fadera mit einigen geschickten Handgriffen fast gänzlich zu verbergen wusste. Dann saß sie still auf dem Hocker, während ihr Haar gekämmt wurde. In ihrem Kopf waren nur zwei Gedanken: Es wird eine hässliche Narbe bleiben! - Was wird Ahmeer sagen, wenn er mich sieht?
Sie zuckte zusammen, als Fadera ihr den Spiegel erneut hin, hielt. Nur sehr zögernd wagte sie es, sich in dem polierten Silber zu betrachten. Auf der verletzten Seite war ihr Haar über der Schläfe nach vorne gekämmt, dass es die Wunde weitestgehend verbarg. Dennoch schimmerte der Schorf zwischen den Strähnen hindurch. Ich sehe schrecklich aus. Plötzlich waren wieder Tränen in ihren Augen. Mit einem tadelnden Laut drehte Fadera sie zu sich um und fasste sie sanft beim Kinn. »Nun, nun! So schlimm ist es doch gar nicht! Wartet, bis der Schorf sich abgelöst hat, dann sieht man unter dem Haar nichts mehr davon. Ihr seid noch immer ein hübsches Ding, glaubt mir! Macht Euch ... « Sie verstummte, als die Tür geöffnet wurde. Mordan stand im Rahmen und blickte wachsam von einer zur anderen.
»Stimmt irgendetwas nicht?«
»Nein, es ist alles in Ordnung, Krieger. Ich habe Eurer Frau nur beim Ankleiden geholfen. « Lijanas spürte, wie ihre Schulter noch einmal aufmunternd gedrückt wurde, dann zog Fadera sie vom Hocker hoch und schob sie in die Mitte des Raumes.
»Nun, was sagt Ihr?« Sie wagte nicht, ihn anzusehen.
Mordan schwieg. Es war Fadera, die sich schließlich unbehaglich räusperte. »Wir haben versucht, die Wunde an ihrer Schläfe unter dem Haar zu verbergen. - Sie hat Angst, dass Ihr sie jetzt hässlich findet, Krieger. « Das Schweigen kehrte zurück. Sie schloss die Augen.
»Ein Mann, der eine Klinge nur nach ihrer äußeren Schönheit beurteilt, ist ein Narr.
Einzig der Stahl, aus dem sie gemacht ist, entscheidet über ihre Qualität.« Bei seinen Worten hob Lijanas langsam den Kopf, blickte ihn erstaunt an, als sie begriff, dass er ihr gerade auf seine Art ein Kompliment gemacht hatte. Ja! - Und wahrscheinlich hat er es nur getan, weil Fadera hier ist. Bitter presste sie die Lippen zu einem Strich zusammen.
Die Frau belohnte Mordan mit einem strahlenden Lächeln und schob sie ihm ein Stück weiter entgegen. » Ihr könnt sie schon einmal hinunterführen, Krieger. Das Abendessen steht gleich auf dem Tisch. « Damit ging sie an ihm vorbei, raunte ihm noch » Seid sanft zu Ihr! « zu und verschwand im Korridor. Schweigend bot er Lijanas seinen Arm. Ein letztes Zögern, dann hakte sie sich bei ihm ein und ließ sich aus dem Raum führen.
Es wäre ja auch zu einfach gewesen, wenn sie sich tatsächlich nicht mehr hätte erinnern können. Dieser Gedanke hatte Mordan nicht mehr losgelassen, seit Fadera ihn am Nachmittag mit den Worten »Eure Frau ist aufgewacht! Sie sitzt bei mir in der Küche, aber sie sagt, sie sei nicht mit Euch verheiratet« aus dem Stall geholt hatte.
Er konnte von Glück sagen, dass sie den Worten des Heilers, dass ein Schlag auf den Kopf jemandem die Erinnerung an nicht allzu weit zurückliegende Geschehnisse nehmen konnte, glaubte. Ansonsten hätte sie nach dem Auftritt vorhin vermutlich sofort nach den Stadtwachen geschickt, um ihn und die anderen festnehmen zu lassen. Und nach allem, was Brachan, Corfar und Ecren an den Toren von Cavallin veranstaltet hatten, waren die vermutlich sowieso nicht besonders gut auf sie zu sprechen. Von drei erschöpften Kjer-Kriegern dazu gezwungen zu
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