Der Kuss des Lustdämons
Weihrauchduft schwebte durch die Gänge. Kein Wort ertönte, bis ein zarter Glockenklang die Stille verdrängte.
Für eine Sekunde dachte Celice an Flucht. Doch wohin? Zurück in den Folterkeller? Die Senarya würden sie finden und zur Tat schreiten. Celice seufzte. Ja. Sie würde tanzen – für Jade. Für niemanden sonst.
Plötzlich durchzuckte sie ein Gedanke. Er war so ungeheuerlich, dass sie abrupt stehen blieb. Erschrocken fuhr sie sich mit der Hand zum Mund. Der Stoff des Schleiers schmiegte sich unter ihren Fingerspitzen an ihre Haut. Dies war ein Aufnahmeritual für Krieger. Was sie vorher für ein verstecktes Kompliment gehalten hatte, kam ihr nun wie das Spiel mit dem Schicksal vor. Wie konnten sie sicher sein, dass ausgerechnet sie den Verführungskünsten der Galpyre gleichkommen könnte? Nur weil sie ihr widerstehen konnten, würde das doch nicht bedeuten, dass sie gegen diese Hexen gefeit waren! Celice hatte keine Zauberkräfte, sie hatte nur ihren Körper.
Eines war ihr plötzlich klar. Hier ging es um weitaus mehr als nur dem Widerstehen einer Tänzerin. Das Leben der Senarya war der Kampf. Es gab für sie kein anderes Lebensziel. Ein Schwächling würde diese Nacht nicht überleben. Nachdenklich ließ sie die Hand sinken. Was würde geschehen? Aber vor allem, was würde mit ihr geschehen?
„Geht weiter, wir sind gleich da.“ Die beinahe männliche Stimme der Zofe riss sie aus ihren Gedanken. Bestimmend schob sie Celice, die stolpernd voran ging. Als sie das Ende des Gangs erreicht hatten, kamen sie in einen Raum, in dessen Mitte eine weiße Kerze brannte. Sollte dies der Ort sein?
Celice zögerte. Erneut stieß die Zofe sie an. Furchtsam lief Celice bis zur Kerze. Als sie sich umblickte, war der Eingang in der Finsternis verschwunden. Es war nichts zu hören und doch fühlte sie viele Blicke, die ihren Körper geradezu durchbohrten. Ihre Angst wich schlagartig einer stimulierenden Aufregung.
Der Geruch des Weihrauchs war stark. Es kribbelte in ihren Atemwegen und pulsierte durch jede Zelle ihres Körpers. Celice breitete ihre Arme aus, hob die rechte Schulter und ließ ihren Kopf langsam kreisen. Einen Moment erhob sie sich auf ihre Zehenspitzen, sank dann wieder zurück und ließ die Arme wieder hinabgleiten.
Als sie ihre Augen wieder öffnete, sah sie für einige Sekunden die Schemen, die im Dunkel kreisförmig um sie herum standen. Sie alle rochen nach Kriegern. Celice lachte abfällig in sich hinein, während ihre Hüften hin und her schwangen. In ihr erwuchs etwas aus tiefem Schlummer. Ja, heute war wirklich ihr Tag. Jade hatte Recht.
„Werdet Ihr für uns tanzen?“ Die Stimme eines alten Mannes klang kalt.
„Ja“, raunte sie. Ein Glühen jagte durch ihre Gliedmaßen. Die Knospen ihrer Sinne blühten auf. Er war der König. Celice fühlte, dass er es war. Dieser Geruch war so köstlich! Er konnte nur königlich sein. Ein Windzug fuhr sacht wie eine Feder zwischen ihren Schenkeln hindurch. Celice leckte sich über die Lippen.
Vor ihrem inneren Auge sah sie den Gealterten in jungen Jahren, stattlich, mit langem schwarzen Haar und Bart. Er war nackt bis auf einen Lendenschurz. Mit seinen muskulösen Armen zog er eine Hure hinauf auf sein Pferd. Zur Belustigung seiner Männer und zu seinem Vergnügen spießte er sie auf sein mächtiges Geschlecht. Während er ritt, ritt er auch sie. Celice lachte in sich hinein. Hier lebte die Sünde unter den Emotionslosen.
„Ihr wisst, was wir sehen wollen.“ Der Mann im Dunkel klatschte in die Hände. Noch vor wenigen Augenblicken hätte sie sich vor Scham verkrochen. Doch jetzt stieg eine Erregtheit in ihr auf, die ihr gebot, sich selbst zu überwinden. Nicht nur für die Krieger, sondern auch für sie war der Tag der Klausur gekommen.
„Lasst die Prüfung beginnen.“ Die Stimme des Königs hallte durch den Raum.
Einem Seufzen gleich begann eine Gemsflöte eine beschwingte Melodie zu spielen. Kurz darauf setzten eine Blockflöte und ein Tamburin mit Schellen ein. Schließlich gesellten sich eine Drehleier und eine Oboe dazu. Die Musiker spielten einige Takte. Dann setzten sie aus.
Celice wandte sich zum Kerzenlicht. Ihre Arme bildeten einem Bogen über ihrem Kopf. Federnd beugte sie ihre Knie. Sie drehte ihren Oberkörper zur linken Seite und legte ihre Wange auf die Schulter. Dann erhob sie ihr rechtes Bein knapp mit der Fußspitze über den Boden. Dunkelheit.
„Spielt!“ Erneut klatschte der König in die Hände.
Als die
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