DER KUSS DES MAGIERS
warmes Blut zu trinken.
Sie löste sich ein Stück weit von ihm, um Les ins Gesicht zu sehen, und legte die Hand auf sein Gesicht. „Und was noch?“
Er schloss die Augen. „Sie können dich ausblenden, deinen Körper völlig übernehmen. Ich habe dann keine Kontrolle darüber, was passiert oder was ich tue – und meistens auch keine Erinnerung daran. Und dafür bin ich dankbar, glaub mir.“
Seufzend schmiegte sie sich wieder an ihn. Der schlimmste Teil kam jetzt erst, das war ihr schon seit einiger Zeit klar. Sina atmete tief durch, bevor sie die Frage stellte. „Was ist das Versprechen?“
Er schwieg lange, doch sie wusste, dass er es ihr sagen würde, und drängte ihn nicht.
„Ich fürchte, es ist ein Märchen, eine Legende“, begann er schließlich. „Daimonn sind ziemlich unverwundbar, eine Eigenschaft, die sie, wie du gesehen hast, auf ihren Carion übertragen. Sie sind blitzschnell, sehr wachsam, kampfstark – es ist fast unmöglich, sich ihnen und ihrem Carion in feindlicher Absicht zu nähern oder sie auf irgendeine Weise umzubringen. Aber wenn ein Mensch freiwillig einen Daimonn aufnimmt, der nicht für ihn bestimmt war, gibt es angeblich einen Weg, ihn wieder loszuwerden. Das ist das Versprechen: Nur durch den, für den du ihn trägst, kannst du frei werden. Ich habe versucht, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, ohne dich in die ganze Sache mit hineinzuziehen. Wenn dein Freund nicht auf die Bühne gestürmt wäre …“
Erschrocken machte Sina sich los. „Dann hätte ich dich erschossen!“
Mit unbewegter Miene wartete Les, bis sie die neuen Informationen verarbeitet hatte.
„Nein, warte, das meinst du nicht ernst. Du willst dieses Ding loswerden, nicht selber sterben“, flüsterte sie erschüttert.
Les küsste sie zärtlich auf die Stirn und murmelte: „Ich kenne keinen Weg, wie ich das eine ohne das andere haben kann.“
9. KAPITEL
Sina liefen Tränen übers Gesicht, obwohl sie gar nicht weinen wollte. Es war nur einfach alles zu viel, und ihr Körper bediente sich dieses praktischen Ventils, um die übergroße Anspannung abzubauen.
„Ich kann dich nicht töten“, stieß sie hervor. „Ich liebe dich! Und nicht einmal aus Liebe. Selbst wenn ich wüsste, dass es das ist, was du willst … Ich kann es nicht!“
„Schsch, ich weiß ja, schon gut. Ich weiß, dass du es nicht kannst, dass es völlig undenkbar ist. Und ich würde dich auch niemals darum bitten. Jetzt nicht mehr, wo du alles weißt. Deshalb habe ich ja die ganze Show darum aufgebaut – damit es wie ein Unfall aussieht und du keinerlei Verantwortung dafür trägst. Vielleicht hätte es funktioniert, aber vielleicht ist das Versprechen auch nur eine Legende. Es war eine winzige Chance, und es tut mir leid, dass ich das Risiko eingegangen bin und du dadurch alles erfahren hast. Kannst du mir verzeihen?“
„Oh Les …“ Sie schlang die Arme um seinen Hals und küsste Les. Diesmal versuchte er nicht, sie daran zu hindern.
Es war ein langer, zärtlicher Kuss, nicht so wild und drängend wie die anderen. Danach setzten sie sich in den Sand, lehnten sich an den Felsen und genossen eng umschlungen die Nähe des anderen, ohne ein Wort zu sprechen.
Sina versuchte, sich einfach nur auf diesen Augenblick zu konzentrieren, ohne an das zu denken, was Les gesagt hatte: Dass sie sich nicht mehr sehen durften, wenn sie dem Willen des Daimonn trotzen wollten.
Es muss einen anderen Weg geben, sagte sie sich. Es war die einzige Hoffnung, an die sie sich klammern konnte, aber für den Moment genügte sie ihr.
„Wir müssen langsam zurück“, sagte Les, als die Sonne untergegangen war und es unvermittelt dunkel wurde.
„Können wir nicht einfach hierbleiben?“, fragte Sina sehnsüchtig.
„Ich wünsche es mir genauso wie du“, erwiderte er, stand aber auf und streckte ihr die Hand hin, um ihr aufzuhelfen. Er hatte sogar an ihre Tasche und die Schuhe gedacht. Sina streifte sich den Sand von den Füßen, schlüpfte in ihre Sandalen und griff nach der Tasche.
„Ich bringe dich direkt zum Hotel. Welche Zimmernummer?“
„Zweiunddreißig.“
Er nickte. „Heute ist es schon zu spät, um nach Hause zu fahren, du würdest mitten in der Nacht ankommen. Aber versprich mir, dass du morgen den ersten Bus nimmst. Hast du Geld?“
Sina nickte. „Aber was wird mit dir? Wird dieses Ding dich nicht bestrafen, wenn ich wegfahre?“
Gleichgültig zuckte Les die Schultern. „Du siehst ja, dass ihre Wut auch wieder verraucht. Im
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