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Der Kuss des Meeres

Der Kuss des Meeres

Titel: Der Kuss des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Banks
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Schule dran war, habe ich angefangen, mein ganzes Kleingeld reinzuwerfen, um für eine dieser Touren zu sparen.«
    Er kichert und hebt sie vom Deck, um weiterzuziehen. » Wofür wirst du das Geld jetzt ausgeben?«
    » Wahrscheinlich für diese Pralinen, die Rachel immer kauft. Ich hoffe, es reicht.«
    Er bringt sie überall hin, wo sie will. Backbord, zum Anker, zum riesigen Propeller. Er dringt in das Innere des Schiffes und zeigt ihr die Offizierskabinen, die verfallenen Flure, die Fensterrahmen ohne Glas. » Wir können tiefer hinunter, wenn sich deine Augen anpassen.«
    Sie nickt. » Es ist, als würde der Mond in einer klaren Nacht scheinen. Wenn ich mich wirklich konzentriere, kann ich fast alles sehen.«
    » Gut.« Er erreicht ein Loch im Boden des Flures und zeigt in die Dunkelheit. » Kein Mensch ist mehr hier unten gewesen, seit das Schiff gesunken ist. Bist du bereit?«
    Er kann das Zögern in ihren Augen sehen. » Was ist?«, fragt er. » Geht es dir nicht gut? Geht dir die Luft aus? Ist der Druck zu stark?« Er presst sie fest an sich, bereit, sofort nach oben zu schießen, wenn sie irgendeine seiner Fragen mit Ja beantwortet. Stattdessen schüttelt sie den Kopf und beißt sich auf die Unterlippe.
    » Nein, das ist es nicht«, sagt sie mit brechender Stimme.
    Er hält inne. » Bei Tritons Dreizack, Emma, was ist los? Weinst du?«
    » Ich kann nichts dagegen machen. Begreifst du, was das hier ist? Es ist ein stählerner Sarg für mehr als fünfzehnhundert Menschen. Mütter sind hier mit ihren Kindern ertrunken. Leute, die durch diese Flure gegangen sind, wurden unter ihnen begraben. Von dem Geschirr, das hier überall zerbrochen herumliegt, haben sie gegessen. Irgendjemand hat tatsächlich diesen Stiefel getragen, an dem wir vorbeigekommen sind. Seeleute haben ihre Familien an dem Tag, an dem das Schiff den Hafen verließ, zum letzten Mal geküsst. Als wir es in der Schule durchgenommen haben, hat es mich wegen all dieser Menschen traurig gemacht. Aber es hat sich niemals so echt angefühlt wie jetzt. Es ist herzzerreißend.«
    Er streicht mit dem Handrücken über ihre Wange und stellt sich die Träne vor, die dort sein würde, wenn sie nicht zwölf Meilen tief unter Wasser wären. » Ich hätte dich nicht hierherbringen sollen. Es tut mir leid.«
    Sie ergreift seine Hand, jedoch nicht um sie abzuwehren. » Machst du Witze? Das ist die beste Überraschung aller Zeiten. Mir fällt nichts ein, was das hier übertreffen könnte. Im Ernst.«
    » Dann willst du also weitermachen? Oder hast du genug gesehen?«
    » Nein, ich will weitermachen. Ich hatte einfach das Gefühl, dass ich das, was hier vor all den Jahren passiert ist, würdigen sollte. Um eine respektvolle Besucherin zu sein und keine hirnlose Touristin.«
    Er nickt. » Wir werden uns weiter unten ein paar Minuten lang umsehen, dann muss ich dich wieder nach oben bringen. Wir müssen langsam auftauchen, damit deine Lunge sich anpassen kann. Aber ich verspreche dir, ich werde dich wieder herbringen, wenn du möchtest.«
    Sie lacht. » Tut mir leid, aber ich glaube, das ist mein neuer Lieblingsplatz. Beim nächsten Mal können wir gleich ein Lunchpaket mitnehmen.«
    Zusammen schwimmen sie in die Tiefe.
    Ein warmer Lichtschein aus dem Inneren des Hauses erhellt die Türschwelle. Er schaltet den Motor ab und kämpft gegen den Drang, rückwärts aus der Einfahrt zu setzen und irgendwo anders hinzufahren. Hauptsache, sie ist bei ihm.
    » Mom ist zu Hause«, murmelt Emma.
    Er lächelt. Ihr Haar ist noch feucht von der Dusche, die sie bei ihm zu Hause genommen hat, und ihre Wechselsachen– Jeans und ein mit Farbe bespritztes T-Shirt– sind ein wenig zerknittert, weil Rachel sie in einer Reisetasche auf dem Boden ihres Kleiderschranks gelagert hat. In diesem bequemen Look erscheint sie ihm genauso attraktiv wie in ihrem kurzen, purpurnen Kleid, das sie zu ihrer menschlichen Verabredung getragen hat. Gerade als er ihr das sagen will, öffnet sie die Autotür.
    » Tja, ich bin mir sicher, dass sie den Wagen gehört hat, also sollte ich besser reingehen«, bemerkt sie.
    Er lacht und versucht die Enttäuschung hinunterzuschlucken, als er sie zum Eingang begleitet. Sie fummelt an ihren Schlüsseln herum, als wüsste sie nicht, welcher davon die Tür aufschließen wird. Da nur drei Schlüssel an dem Ring hängen– und die beiden anderen Autoschlüssel sind–, hat Galen eine diebische Freude daran, dass sie den Moment in die Länge zieht. Sie will also genauso

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