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Der Kuss des Meeres

Der Kuss des Meeres

Titel: Der Kuss des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Banks
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durchgenommen haben. Im letzten Jahr, bevor ich eine Fehde gegen die Geschichte begonnen habe, gegen das Verrinnen der Zeit. » Am 15. April 1912.«
    Mr Pinner ist sofort erfreut. Seine dünnen Lippen öffnen sich zu einem Lächeln, das ihn zahnlos aussehen lässt, weil sein Zahnfleisch so breit ist. » Ah, wir haben einen Geschichtsfan unter uns. Sehr schön, Ms McIntosh.«
    Es läutet. Es läutet? Wir haben fünfzig Minuten in diesem Kurs verbracht?
    » Denken Sie daran, studieren Sie dieses Regelblatt. Kuscheln Sie nachts damit, essen Sie damit zu Mittag, nehmen Sie es mit ins Kino. Nur damit können Sie meinen Kurs bestehen«, versucht Mr Pinner den Lärm der Schüler zu übertönen, als sie zur Tür hinausstürmen.
    Ich möchte, dass Galen vorausgeht. Ich öffne meinen Ordner, hantiere mit einigen leeren Notizzetteln und ziehe demonstrativ die Gurte meines Rucksacks straff. Er bewegt sich nicht. Na schön. Ich stehe auf, schnappe mir meine Sachen und husche an ihm vorbei. Die Lava schießt in mein Handgelenk, als er es packt– als würde er mir mit seiner Berührung ein Brandzeichen verpassen.
    » Emma, warte.«
    Er erinnert sich an meinen Namen. Was bedeutet, dass er sich auch daran erinnert, wie ich mich an seiner nackten Brust beinahe selbst k. o. geschlagen hätte. Warum habe ich heute Morgen die Porzellan-Foundation nicht aufgetragen? Dann würde er jetzt nicht sehen, wie rot ich werde.
    » Hey«, sage ich. » Ich habe nicht gedacht, dass du dich an mich erinnern würdest.« Mir ist bewusst, dass uns einige Leute aus dem hinteren Teil des Klassenraums anstarren– ein Teil seines Fanklubs ist zurückgeblieben und wartet geduldig darauf, an die Reihe zu kommen. » Tja, willkommen an der Middle Point. Du musst wahrscheinlich in den nächsten Kurs, also dann, bis später.«
    Er verstärkt seinen Griff, als ich versuche, mich von ihm loszumachen. » Warte.«
    Ich schaue auf seine Hand hinab und er lässt mich los. » Ja?«, frage ich.
    Er blickt auf sein Pult hinunter und fährt mit der Hand durch sein schwarzes Haar. Ich erinnere mich, dass Small Talk nicht gerade Galens Stärke ist. Schließlich sieht er auf. Sein Blick ist wieder voller Selbstvertrauen. » Kannst du mir vielleicht helfen, meinen nächsten Kurs zu finden?«
    » Klar, aber das ist ziemlich einfach. Es gibt hier drei Flure. Den Einhunderterflur, den Zweihunderterflur und den Dreihunderterflur. Zeig mir deinen Stundenplan.« Er fischt einen zerknüllten Zettel aus seiner Hosentasche und gibt ihn mir. Während ich ihn glatt streiche, sage ich: » Dein nächster Kurs ist in Raum eins-dreiundzwanzig. Das bedeutet, dass du in den Einhunderterflur musst.«
    » Aber kannst du mir nicht zeigen, wo genau das ist?«
    Ich überprüfe meinen Stundenplan, um zu sehen, wohin ich muss. Wobei ich ganz genau weiß, dass ich ihn auch zu Raum 123 begleiten werde, wenn ich zu meinem nächsten Kurs in die entgegengesetzte Richtung muss. Ich habe Glück, mein nächster Kurs ist auch in Raum 123– englische Literatur.
    » Ähm, wir haben auch noch den nächsten Kurs zusammen«, erkläre ich ihm entschuldigend. Er folgt mir zur Tür hinaus und passt sich meinem etwas langsameren Tempo an. Ich überfliege inzwischen unsere Stundenpläne, um herauszufinden, in wie vielen Kursen er meine tölpelhafte Gesellschaft noch ertragen muss– und in wie vielen anderen Kursen ich damit rechnen muss, knallrot anzulaufen. Die Antwort ist simpel: in allen. Ich stöhne. Laut.
    » Was?«, fragt er. » Stimmt irgendwas nicht?«
    » Hm, es ist nur… es sieht aus, als hätten wir exakt denselben Stundenplan. Sieben Kurse zusammen.«
    » Ist das ein Problem?«
    Ja. » Nein. Ich meine, na ja, für mich nicht, aber… ich dachte nur, vielleicht hättest du mich lieber nicht in deiner Nähe nach dem, was damals am Strand passiert ist.«
    Er bleibt stehen und zieht mich aus dem Strom der Schüler zu einer Reihe von Spinden. Diese Bewegung wirkt so vertraut, dass sie Aufmerksamkeit erregt. Verstreute Reste seines Fanklubs lungern herum und warten immer noch darauf, dass ich die Kurve kratze und ihnen das Feld überlasse.
    » Vielleicht sollten wir irgendwo hingehen, wo wir ungestört sind, um das zu besprechen«, sagt er leise und beugt sich zu mir. Er blickt vielsagend in die Runde.
    » Ungestört?«, kiekse ich.
    Er nickt. » Ich bin froh, dass du davon angefangen hast. Ich war mir nicht sicher, wie ich dich darauf ansprechen soll, aber jetzt ist es für uns beide einfacher, meinst du

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