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Der Kuss des Meeres

Der Kuss des Meeres

Titel: Der Kuss des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Banks
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sein sollte, die Augen offen zu halten– aber ich kann es. Wir sind bereits zu weit unten, um den Sturm über dem Meer noch länger zu sehen, um den Widerhall des Donners zu hören. Eigentlich müsste ich durchdrehen. Aber genau wie zuvor auf der Couch fühlen sich Galens Arme an wie ein Seil, eine Rettungsleine, von Muskeln durchsetzt und fest um mich geschlungen.
    Je tiefer wir kommen, desto dunkler wird es, aber meine Augen scheinen sich anzupassen. Tatsächlich tun sie mehr als das– mein Blick schärft sich hier unten. Zuerst ist es, als hätte jemand das Licht ausgeschaltet– ich sehe nur Schatten. Aber die Schatten nehmen Gestalt an, verwandeln sich in Fische oder Felsen. Und dann erscheint alles so klar wie am helllichten Tag, als hätte jemand das Licht wieder eingeschaltet. Aber wir bewegen uns noch tiefer nach unten, nicht zurück an die Oberfläche. Woher kommt das Licht?
    Und wohin treiben wir? Die Fischschwärme, an denen wir vorbeikommen, huschen uns aus dem Weg. Sogar größere Fische weichen zur Seite, als würden wir einen Sportwagen auf der Autobahn fahren. Wie macht Galen das? Er hat alle Hände voll mit mir zu tun, also benutzt er sie nicht, um zu schwimmen. Selbst wenn er es täte– niemand kann so schnell schwimmen. Ich spähe zu unseren Füßen hinunter– nur dass unsere Füße nicht da sind. Bloß meine. Und eine Flosse.
    » Hai!«, schreie ich. Ich schlucke Wasser und hoffe, dass er mein Gurgeln versteht. Wir halten so abrupt an, dass es mein Haar nach vorne peitscht.
    » Was?« Er verstärkt seinen Griff um mich und wirbelt uns auf der Stelle herum. » Ich sehe keinen Hai, Emma. Wo hast du ihn gesehen?«
    » Dort unten– warte.« Ich blicke hinter uns, aber der Hai ist weg. Als ich um Galen herumspähe, um zu sehen, ob der Hai uns überholt hat– obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass uns nicht einmal ein Schnellboot überholen könnte–, beginne ich, die wahre Stärke meiner Sehkraft hier unten zu hinterfragen. Kein Hai. » Ich schätze, wir haben ihn verjagt– was zur…? Wie machst du das? Wie mache ich das?« So klingt man nicht unter Wasser. Jedes Wort, das wir sagen, klingt so klar, als säße ich im Wohnzimmer auf seinem Schoß. Nicht gedämpft, wie wenn man in der Badewanne liegt und nichts außer dem eigenen Herzschlag hören kann. Da ist kein Summen, kein Druck in meinen Ohren. Nur Stille.
    » Wie machen wir was?« Er dreht mich zu sich um.
    » Ich kann dich hören. Du kannst mich hören. Und ich sehe dich, so klar wie am helllichten Tag– aber es ist nicht Tag, nicht einmal am Ufer. Wie kann das sein, Galen?«
    Er seufzt. Wie kann er seufzen? Wir sind unter Wasser. » Das ist das Geheimnis, Emma.« Er deutet mit dem Kopf auf unsere Füße.
    Ich folge seinem Blick. Halte den Atem an. Schlucke. Und würge. Der Hai ist zurück– und hat Galens gesamten Unterleib verschlungen, bis hinauf zu seiner Taille! Er bewegt seine Flosse kämpferisch hin und her, um an ihm dranzubleiben.
    » Nicht auch noch du!«, schreie ich. Ich trete nach dem Hai, so fest ich das mit bloßen Füßen kann. Galen verzieht das Gesicht und lässt mich los.
    » Emma, hör auf, mich zu treten!«, sagt Galen und packt mich an den Schultern.
    » Ich trete nicht dich, ich trete… ich trete…. Omeingott!« Galen ist der Hai. Der Hai ist Galen. Was ich sagen will, ist– da ist kein Hai. Da ist nur Galen. Sein Oberkörper ist noch da, die mächtigen Arme, die gemeißelten Bauchmuskeln, das großartige Gesicht. Aber… seine Beine. Sind. Weg. Nicht abgebissen, nicht verschluckt. Nein, nur ersetzt durch eine lange, silberne Flosse. Un-fass-bar.
    Ich schüttele den Kopf und reiße mich von ihm los. » Das gibt’s nicht. Das gibt es einfach nicht.« Ich treibe von ihm weg, aber er folgt mir.
    » Emma.« Er streckt die Hand nach mir aus. » Beruhig dich. Komm her.«
    » Nein. Du bist nicht echt. Das alles hier ist nicht echt. Ich möchte wieder aufwachen.« Ich blicke zur Oberfläche. » Ich sagte, ich möchte wieder AUFWACHEN !« Ich schreie mein Ich an, weil es bestimmt immer noch auf Galens Couch schläft, aber mein Ich wacht nicht auf.
    Galen gleitet näher heran, ohne die Arme zu bewegen. » Emma, du bist wach. Das hier ist dein Geheimnis. Der Grund, warum deine Augen diese Farbe haben.«
    » Bleib, wo du bist.« Ich zeige warnend auf ihn. » Für den Fall, dass du es nicht bemerkt hast, ich habe mich nicht in einen Fisch verwandelt, sondern du . Damit wäre das also dein Geheimnis, meinst du nicht

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