Der Kuss des Meeres
lässt, damit du sie am Ende nur noch mehr magst. Und dich noch stärker ins Zeug legst, um ihre Aufmerksamkeit zu erringen.«
Er nickt. » Genau. Das ist genau das, was sie tut.«
Ich kneife mir in den Nasenrücken. » Das glaube ich nicht. Während wir uns hier unterhalten, lässt sie euer Verbindungssiegel annullieren. Das hat nichts damit zu tun, dass sie die Unnahbare spielt. Sondern vielmehr damit, dass sie für dich unerreichbar ist .«
» Selbst wenn sie es schafft, die Verbindung auflösen zu lassen, liegt es nicht daran, dass ich ihr nichts bedeute. Sie spielt einfach gern Spielchen.«
Der Schmerz in Torafs Stimme erschüttert mich. Sie spielt vielleicht gern Spielchen, aber seine Gefühle sind echt. Und kann ich das nicht allzu gut nachvollziehen? » Es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden«, murmele ich.
» Was herausfinden?«
» Ob sie wirklich nur Spielchen spielt.«
» Wie?«
» Du spielst den Unnahbaren. Du weißt schon, es heißt doch: ›Wenn du jemanden liebst, lass ihn sausen. Wenn er von allein zurückkommt, ist es Schicksal.‹«
» Das habe ich noch nie gehört.«
» Okay. Nein, natürlich nicht.« Ich seufze. » Im Wesentlichen will ich damit Folgendes sagen: Du musst aufhören, Rayna nachzulaufen. Weise sie zurück. Behandele sie so, wie sie dich behandelt.«
Er schüttelt den Kopf. » Ich glaube nicht, dass ich das kann.«
» Aber nur so wirst du deine Antwort bekommen«, sage ich achselzuckend. » Man könnte glauben, dass du es gar nicht wirklich wissen willst.«
» Ich will es wissen. Aber was, wenn die Antwort negativ ausfällt?« Sein Gesicht verzieht sich, als hätte er in eine Zitrone gebissen.
» Du musst bereit sein, damit klarzukommen, was auch immer dabei herauskommt.«
Toraf nickt mit angespanntem Kiefer. Die Möglichkeiten, die er abwägen muss, werden ihm eine ziemlich lange Nacht bescheren. Also beschließe ich, seine Zeit nicht länger in Anspruch zu nehmen. » Ich bin ziemlich müde und schwimme zurück. Wir sehen uns morgen bei Galen. Vielleicht kann ich dann die Dreißig-Minuten-Grenze knacken, hm?« Ich stupse meine Faust gegen seine Schulter, mehr als ein schwaches Lächeln bekomme ich nicht als Antwort.
Es überrascht mich, als er meine Hand nimmt und anfängt, mich durchs Wasser zu ziehen. Immerhin besser, als mich am Knöchel zu schleifen. Ich kann mich nicht gegen den Gedanken wehren, dass Galen das Gleiche hätte tun können. Warum legt er stattdessen die Arme um mich?
Am Samstagabend kann ich für fünfunddreißig Minuten unter Wasser bleiben. Am Sonntagnachmittag bin ich bei siebenundvierzig. Die Übung bringt was, auch wenn ich nicht das Gefühl habe, irgendetwas zu üben. Ich plansche nur im Wasser, halte den Atem an und werde dabei immer runzeliger.
Ich ziehe die Schwimmflossen aus, die Toraf mir mitgebracht hat, und werfe sie ans Ufer. Während er sich in seine Shorts manövriert, wende ich ihm den Rücken zu. » Bist du vorzeigbar?«, rufe ich nach einigen Sekunden. Ganz gleich, wie oft ich ihm auch sage, dass ich noch nicht ins Wasser sehen kann, er glaubt felsenfest, dass ich versuche, einen Blick auf seinen » Aal« zu werfen. Du lieber Himmel!
» Oh, ich bin mehr als vorzeigbar. Ich bin sogar ein ziemlich guter Fang.«
Da bin ich ganz seiner Meinung. Toraf sieht gut aus, ist witzig und aufmerksam– sodass ich Raynas Einstellung nicht wirklich nachvollziehen kann. Ich beginne zu verstehen, warum Grom ihn mit Rayna verbunden hat. Wer würde besser zu ihr passen als Toraf?
Aber wenn ich das zu Toraf sagen würde, wäre es ein klarer Verstoß gegen unseren stillschweigenden Pakt: kein Wort über Rayna und kein Wort über Galen. Seit Freitagnacht haben wir über alles gesprochen, nur nicht über die beiden. Über Grom und Nalia. Über den Friedensvertrag, den die Generäle Triton und Poseidon nach dem Großen Krieg geschlossen haben. Über den Geschmack von Meeresfrüchten– okay, da haben wir gestritten.
Aber meistens üben wir einfach. Ich halte den Atem an und Toraf stoppt die Zeit. Er kann allerdings auch nicht besser als Galen erklären, wie man sich in einen Fisch verwandelt. Er sagt genau wie Galen, dass es sich wie ein überwältigender Drang anfühlt, sich zu strecken.
Toraf watet zu der Stelle, an der ich in der Flut stehe. » Ich kann nicht fassen, dass die Sonne schon untergeht«, meine ich.
» Ich schon. Ich bin am Verhungern.«
» Ich auch.« Das müssen die vielen zusätzlichen Kalorien sein, die ich im
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