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Der Kuss des Meeres

Der Kuss des Meeres

Titel: Der Kuss des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Banks
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verschwören und zieht sich schmerzhaft zusammen. Er spürt es kommen, aber er kann nichts dagegen machen. Taumelnd erhebt er sich vom Tisch und schafft es kaum bis zum Waschbecken, bevor das Erbrochene überallhin explodiert. Die Masse ist zu viel für den Abfluss, selbst mit voll aufgedrehtem Wasserhahn. Die unkenntlichen Brocken vom Mittagessen tun ihr Übriges.
    » Mach dir deswegen keine Sorgen, Galen«, flüstert Dr. Milligan, während er ihm ein Papiertuch reicht. » Ich werde mich später darum kümmern.«
    Galen nickt und lässt das Wasser aus dem Hahn in seinen Mund laufen, um die Überreste auszuspülen. Dann trocknet er sich mit dem Papiertuch Gesicht und Hände ab und trottet zum Tisch zurück. Allerdings lehnt er sich diesmal nur dagegen, statt sich draufzusetzen, nur für den Fall, dass er noch mal losrennen muss.
    » Ist dir immer noch schlecht vom Flug?«, flüstert Emma.
    Er nickt. » Dr. Milligan, was wollten Sie sagen?«
    Der Doktor seufzt. » Es sind zweiunddreißig Schläge pro Minute.«
    » Und in Jahren?«, hakt Galen nach. Sein Magen krampft sich erneut zusammen.
    » Grob geschätzt? So um die einhundertfünfundsiebzig Jahre, denke ich.«
    Galen kneift sich in den Nasenrücken. » Warum? Warum schlägt ihr Herz schneller als das anderer Syrena?«
    » Ich wünschte, ich könnte es dir sagen, Galen. Aber wir beide wissen, dass Emma sich auch in anderen Dingen von dir unterscheidet. Ihr Haar und ihre Haut zum Beispiel. Vielleicht haben diese Unterschiede mit ihrer Unfähigkeit zu tun, Syrena-Gestalt anzunehmen.«
    » Denken Sie, es hat etwas mit ihrer Kopfverletzung zu tun?«, fragt Galen.
    Emma schüttelt den Kopf. » Das kann nicht sein.«
    » Warum nicht?« Dr. Milligan verschränkt nachdenklich die Arme. » Galen meinte, Sie hätten sich ziemlich heftig gestoßen. Ich würde sagen, es ist zumindest vernünftig, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass Sie dabei etwas beschädigt haben könnten.«
    » Sie verstehen nicht, Dr. Milligan«, erwidert Emma. » Bevor ich mir den Kopf gestoßen habe, hatte ich überhaupt keine Syrena-Fähigkeiten. Der Schlag auf den Kopf war es, der alles verändert hat. Außerdem bin ich schon mein Leben lang so weiß wie der Mond. Das hat nichts mit einer Gehirnerschütterung zu tun.«
    » Das stimmt«, pflichtet Galen ihr bei. » Aber du konntest den Atem schon sehr lange anhalten, bevor du dir den Kopf gestoßen hast. Und die Gabe hattest du auch schon vorher. Vielleicht waren die Fähigkeiten von Anfang an da, und du hast nur nie gewusst, wie du sie nutzen kannst.« Blöd, blöd, blöd. Der verletzte Ausdruck auf ihrem Gesicht bestätigt seinen Fehler.
    » Der Tag, an dem Chloe starb«, sagt sie leise.
    Er nickt langsam. Es bringt nichts, zu lügen. Selbst wenn er nicht über Chloe gesprochen hätte, denkt sie wieder daran, unternimmt bereits eine Zeitreise zu jenem Tag und quält sich mit Hätte und Wäre. Hätte sie doch nur von ihrem Syrenablut gewusst. Hätte sie doch nur von der Gabe Poseidons geahnt. Chloe wäre noch am Leben. Sie braucht es nicht auszusprechen. Es steht ihr ins Gesicht geschrieben.
    » Alle dachten, es wäre Adrenalin gewesen«, sagt sie. » Ich hätte es besser wissen müssen.«
    Dr. Milligan räuspert sich. » Nur um nichts zu übersehen, würde ich gerne ein paar Röntgenaufnahmen machen, bevor Sie morgen abreisen. Ist das in Ordnung, Emma?«
    Sie nickt, aber Galen kann erkennen, dass es nur ein Reflex ist.
    Galen ruft ein Taxi, das sie zurück ins Hotel bringt; er kann Emma keinen weiteren Spaziergang am Strand zumuten. Dort, wo ihre beste Freundin gestorben ist. Vor allem ist er sich nicht sicher, wie lange er es neben ihr aushält, ohne seine Arme– oder seine Lippen– zu nutzen, um sie zu trösten.
    Es wird eine lange Nacht werden.

19
    Dr. Milligan tippt auf die Röntgenaufnahme, die auf dem Bildschirm leuchtet. » Sieh dir das an, Galen, das ist die Stelle, an der deine Knochen dicker werden, um deine Organe zu schützen. Wo Menschen Rippen haben, hast du einen Panzer, fest wie eine Muschelschale. Und das hier ist Emmas Röntgenaufnahme.« Er knipst das Licht hinter dem anderen Bild auf dem weißen Kasten an. » Siehst du, dass diese Stelle bei ihr auf den ersten Blick so aussieht, als wären es ganz normale Rippen? Es ist kaum zu erkennen, aber wenn man genauer hinsieht, kann man die dünne Schicht der Panzerung sehen, die die Rippen miteinander verbindet. Sie ist aber nicht ganz so dick wie bei dir. Tatsächlich hat

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