Der Kuss des Verfemten
gefährlich werden. Sie hinderte ihn, unbeeinflusst zu denken und zu handeln. Sie fesselte seine Hände, sein Herz, seinen Willen. Sie hinderte ihn an der Ausführung seines Planes, sein Recht, seine Ehre und sein Ansehen wiederzuerlangen. Diese entsetzliche Schmach, ein Verfemter zu sein, ein Kaisermörder, ein Gejagter! Daran durfte auch das süße Gesicht dieser kleinen Prinzessin nichts ändern, nicht ihr zarter, unschuldiger und doch so sinnlicher Körper, der ihn mit aller Gewalt einlud, die Freuden und Lüste zu genießen, die er bieten konnte. Verdammt, niemals wieder durfte er schwach werden, seine Hände nach ihr ausstrecken, ihre Lippen küssen, ihre herrlichen Brüste liebkosen … Ein gequältes Stöhnen entrang sich seiner Brust, und die Umsitzenden, die es vernommen hatten, drehten sich verwundert zu ihm um. Auch Isabella blickte ihn an und hob ein wenig die Augenbrauen. Hastig setzte Martin den Becher mit dem prickelnden Gerstengebräu an und leerte ihn in einem Zug. Dann kratzte er sich sichtlich verlegen am Rücken. Er blickte in die Runde.
»Ich vergaß völlig, dass heute Freitag ist. Und was hatte ich für den Freitag befohlen? Dass alle baden!«
Die Menge schwieg, und alle Blicke hefteten sich auf Martin. Er warf den Kopf zurück. »Ihr sitzt hier und sauft und glotzt! Wo sind die lodernden Feuer, die das Badewasser erhitzen? Ich sehe keines!«
Einige Mägde sprangen auf, um emsig Holz hereinzuschaffen und die Feuerstellen zu entzünden. Andere Mägde schleppten Eimer voll Wasser vom Brunnen in die Stuben, wo die großen Holzbottiche standen.
»Füllt meinen Zuber zuerst!«, befahl Martin, und seine Lippen verzogen sich zu einem breiten Lächeln der Vorfreude. »Ich will mit Konstanze die Freuden des Bades genießen!« Er streckte sich und reckte die Arme in die Höhe.
»Nein!«, hörte er Isabellas entschlossene Stimme neben sich. Er hielt in seiner genussvollen Dehnübung inne, und sein Mund blieb offen stehen. Seine Augen weiteten sich verblüfft.
»Wie soll ich das verstehen?«, fragte er sichtlich verwirrt.
»Dass ich mit Euch baden werde, Ritter Martin!«
Die Verblüffung in Martins Gesicht verwandelte sich in ein ungläubiges Grinsen. Alle am Tisch hatten Isabellas Worte vernommen. Und alle starrten sie voll Verblüffung, Bewunderung und auch etwas Neid an. Nur Konstanzes schwarze Augen glühten voll unterdrückten Zorns wie Kohlen. Doch niemand achtete auf sie, die still im Hintergrund stand und auf Martins Aufforderung wartete.
Martin erhob sich von seinem Stuhl. Immer noch ein wenig ungläubig hielt er seinen Arm Isabella entgegen. »So sei es«, sagte er nur, während ein freudiger Glanz über sein Gesicht flog.
Zögernd ergriff Isabella Martins dargebotene Hand. Mit triumphierendem Lächeln geleitete er sie unter beifälligem Gemurmel der Anwesenden aus dem Saal hinaus zur Badestube. Isabella bemühte sich, ihrem Gang Würde und ihren Schritten Festigkeit zu verleihen.
Der große Holzbottich stand, gefüllt mit dampfendem Wasser, in der Mitte des Raumes. Auf seinem Rand flackerten mehrere Kerzen und erhellten den Raum leidlich. Die Fenster waren mit Holzläden verschlossen. Es duftete nach Lavendel und Birkengrün. Mit einer ungeduldigen Handbewegung jagte Martin die Magd aus dem Raum. Sie stellte eilig den Weinkrug auf eine Bank neben dem Badebottich und huschte hinaus.
Isabella blieb an der Tür stehen. Der Zuber war sehr groß und bot mindestens vier Personen Platz. Es war ein Bottich, den man im Herbst zum Stampfen der Weintrauben verwendete.
»Zieh dich aus«, befahl Martin ihr. Isabella senkte schamhaft den Kopf, während Martin sein wollenes Hemd auszog und am Gürtel seiner Hose nestelte. Er blickte belustigt auf. »Den Schleier kannst du ja auf dem Kopf behalten. Das ist züchtig.«
Isabella bis die Zähne zusammen und bemühte sich, nicht hinzuschauen, als Martin seine Stiefel und die Hose abstreifte. Er reckte sich, als er nackt dastand, und stieg auf die kleine hölzerne Fußbank. Verstohlen blickte Isabella hinüber. Martin drehte ihr den Rücken zu, während er mit der Hand die Temperatur des Wassers prüfte. Er war schlank, aber muskulös. Seine Beine waren erstaunlich gerade für einen Mann, der den überwiegenden Teil seines Lebens auf einem Pferderücken zubrachte. Unter der hellen Haut spielten seine trainierten Muskeln. Die schlanken Oberschenkel gingen in ein kleines, festes Hinterteil über. Seine Hüften waren schmal. Sein lockiges, blondes Haar
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