Der Kuss des Wolfes: Roman (German Edition)
wundervoll kühl anfühlte.
Die Kleider waren aus grünblauer Baumwolle gefertigt. Alys hatte ihr Haar gewaschen, gekämmt und es zu dem Zopf geflochten, in dem zu tragen sie es sich angewöhnt hatte – so konnte es nicht im Vorbeigehen in den Käfigen der ⊃Hübschen⊂ ihres Onkels hängen bleiben, falls diese sie hineinzerren wollten, weil sie Appetit auf eine anders geartete Mahlzeit verspürten. Zusammen mit den Hosen fühlte sie sich …
»Man hat gleich mehr Bewegungsfreiheit, nicht wahr?« Kelly betrachtete ihre neue Gefährtin.
»O ja«, stimmte Alys zu, trat einen Schritt vor, sprang in die Höhe, landete mit gespreizten Beinen wieder und vollführte eine Kniebeuge. Das Wort traf es genau. Freiheit . »Ich fühle mich sehr wohl darin.«
»Dort, wo ich herkomme, können Frauen tragen, was sie wollen«, verkündete die ältere Frau, als sich Alys begeistert um die eigene Achse drehte. »Hier komme ich natürlich damit durch, weil ich aus einer anderen Welt stamme, aber wenn du willst, erlasse ich eine Verfügung, die besagt, dass sich jeder so kleiden kann, wie es ihm beliebt – innerhalb der Grenzen der Schicklichkeit, versteht sich.«
»Eine Verfügung?«, wiederholte Alys verwirrt.
Kelly zuckte gespielt bescheiden die Achseln. »Ich bin immerhin die Königin von Nightfall. Nun ja, an Wochenenden, in den Ferien und wenn wir Besucher haben.«
Alys hob die Brauen, dann schüttelte sie den Kopf. »Was du nicht sagst.«
»Womit beschäftigst du dich denn gern?«, fragte Kelly unverhofft.
»Bitte?«
»Ich nähe, sticke, stricke und klöppele Spitzen. Evanor, der häuslichste der Brüder – eines Tages gibt er für irgendeine glückliche Frau einen fantastischen Mann ab – bringt mir bei, auf einem der Webstühle der Nähkammer zu weben. Das ist mein Hobby – sticken, nähen, Kleider schneidern. Und Steppdecken und Kissen anfertigen«, fügte sie achselzuckend hinzu. »Früher habe ich auch Flickenpuppen gemacht, aber da wir hier so isoliert leben, die Jungs nicht wollen, dass die Anwesenheit einer Frau auf der Insel bekannt wird, falls jemand Jagd auf uns machen sollte, und ich noch keine Kinder habe, habe ich keinen Grund mehr dafür. Verkaufen kann ich sie ja auch nicht.« Kelly strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr zurück und musterte ihr Gegenüber. »Was also machst du gerne?«
»Ich, äh, ich kann Tiere füttern. Vermutlich könnte ich sie auch jagen, obwohl ich mich lieber um die Tiere kümmere. Solange sie nicht bösartig sind«, fügte sie mit fester Stimme hinzu, weil sie an die ⊃Hübschen⊂ ihres Onkels dachte. »Ich möchte nie wieder etwas mit bösartigen Kreaturen zu tun haben.«
»Dann fällt das Füttern der Hühner schon einmal aus«, stellte die andere Frau trocken fest. »Ich hatte ein Mal das zweifelhafte Vergnügen. Ein Mal«, wiederholte Sabers Frau mit einem gespielten Schaudern. »Sie haben mir nicht nur die Beine wund gehackt, sondern die Hälfte von ihnen ist mir auch noch entwischt, und die anderen haben über eine Stunde gebraucht, um sie wieder einzufangen – sie sind bösartig, das kannst du mir glauben.«
Alys schüttelte den Kopf. »Da gibt es viel Schlimmeres. Ich könnte die Hühner füttern und auch alle anderen Tiere, die ihr hier habt – ich habe nicht vor, hier zu leben, ohne mich nützlich zu machen. Außerdem kann ich spinnen, weben, nähen und häkeln, aber leider nicht gut sticken. Und kochen, putzen und im Garten arbeiten. Ich habe ein gutes Händchen für Pflanzen, Haustiere und Vieh.«
»Wir haben im Moment nur die Hühner, und das hauptsächlich wegen frischer Eier. Aber ich hätte wirklich nichts gegen Milch, wenn wir ein paar Milchkühe und einen Bullen auftreiben könnten, der für regelmäßige Kälber sorgt«, grübelte Kelly laut. »Die Handelsschiffe bringen uns Butter und Käse, aber das ist nicht dasselbe wie frische Milch und Sahne.«
»Die Kühe könnte ich versorgen«, erbot sich Alys. »Und sie melken und Käse machen.« Ihrem Onkel hatte es Vergnügen bereitet, sie den ganzen Tag lang Dienstbotenarbeiten verrichten zu lassen. Sie hatte sich nicht daran gestört; es verringerte die Zeit, die sie in seiner Gesellschaft verbringen musste. Nur seine abscheulichen Haustiere hatte sie äußerst widerwillig zweimal täglich gefüttert.
»Ich spreche mit Saber. Die Händler werden morgen erwartet – nur dass sie nach dem morgigen Tag nicht sehr erfreut sein werden«, fügte Kelly achselzuckend hinzu. »Dank einer Anlage an
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