Der Kuss des Wolfes: Roman (German Edition)

Menschengestalt an. Ich werde mich in einen Wolf verwandeln, und ich möchte, dass du mich genau untersuchst. Fass mich an, betaste mich, nimm meinen Geruch bewusst wahr. Du musst mein Fell befühlen, um zu wissen, wie du es dir wachsen lassen kannst, und spüren, dass ein Wolf stämmiger und muskulöser ist als ein Pookrah.«
    Alys verwandelte sich erneut und nickte. Der Spiegel war wirklich hilfreich, ebenso wie der sanfte Klang seiner Stimme. Sie wusste, dass noch viel Arbeit vor ihr lag. Ihre Größe zu verringern war nur eine der zahlreichen Aufgaben, die es zu bewältigen galt.
    Aber es war schön, diesmal einen Lehrer in unmittelbarer Nähe zu haben.

DREIZEHNTES KAPITEL
     
    M organen blickte in den Spiegel auf seinem Arbeitstisch. Das leise Glockenläuten hatte ihn bei einem seiner Experimente gestört, aber der Wachsamkeitszauber hatte ihn davon in Kenntnis gesetzt, dass ein gewisser Jemand kurz davor stand, ein wichtiges Gespräch zu führen. Der ovale Spiegel wurde einen Moment lang milchig, dann waren zwei Gesichter zu erkennen. Eines gehörte Donnock of Devries, dem angeheirateten Verwandten der Corvis-Blutlinie, das andere Broger of Devries, der sich unrechtmäßig den Grafentitel angeeignet hatte.
    Es wäre so leicht, eine Hand hindurchzuschieben und sie beide zu zerschmettern.
    Dazu müsste er nur seinen Spionierzauber kaum merklich verändern und ein Pulver benutzen, das in der Zusammensetzung dem sehr ähnlich war, mit dem er durch seinen Hauptspiegel Kelly aus ihrer Welt in die seine hinübergeholt hatte. Und er müsste seine gesamte Willenskraft aufbieten und in die Herzen der beiden Männer leiten. Eine relativ einfache Angelegenheit, wenn man davon absah, dass Morganen nur äußerst ungern tötete. Der jüngste der acht Magier-Brüder hatte nicht das Naturell eines Mörders. Er zog es vor, Dinge wieder zusammenzufügen, statt sie zu zerstören – dazu war jeder Narr in der Lage. Es erforderte weitaus größeres Geschick, sie zu erschaffen oder zu reparieren.
    Ich bin eindeutig eher zum Liebhaber als zum Kämpfer geboren , dachte er seufzend, dabei griff er nach seinem Stoutbecher. Nur dass er vorerst keine Möglichkeit sah, irgendeine Frau zu lieben. Sein Blick wanderte zu dem Standspiegel in der Ecke des Raumes, aber dort regte sich nichts. Konzentriere dich auf das, was momentan am wichtigsten ist , mahnte er sich und lauschte aufmerksam, als Broger und Donnock zu sprechen begannen.
    »Was soll das heißen: ˒Welche Reise nach Nightfall˓?«, herrschte Broger seinen jüngeren Bruder an. »Du bist auf dem von den Göttern verdammten Boot! Hat es dich nicht dorthin gebracht?«
    »Ich …« Auf Donnocks Gesicht, das im Spiegel zu Morganen aufblickte, trat ein verwirrter, dümmlicher Ausdruck. »Ich kann mich nicht erinnern. Warum bin ich denn hier?«
    Broger war nicht schwer von Begriff. Leider. »Bei allen Dämonen der Niederhölle! Sie haben dich wahrscheinlich mit einem Vergessenszauber belegt. Und ich würde auch zu gerne wissen, wem du dein in allen Regenbogenfarben schillerndes Gesicht zu verdanken hast. Komm sofort hierher zurück – am besten durch eine Spiegelpforte.«
    »Warum?« Donnock verstand immer noch nicht, was mit ihm geschehen war.
    »Weil ich dein Gedächtnis öffnen muss, deshalb!« Donnock schüttelte den Kopf, als versuche er, den Nebel zu durchdringen, mit dem Morganen ihn umgeben hatte. »Aber könnte das nicht mein Denkvermögen beeinträchtigen?«
    Da der jüngere Devries-Bruder bei diesen Worten entsetzt die Augen zusammenkniff, entging ihm der sardonische Blick, mit dem Broger ihn bedachte. »Dieses Risiko müssen wir eingehen. Ich brauche ein genaues Fernsichtbild von der Insel. Da du dich an nichts mehr erinnern kannst, gehe ich davon aus, dass du dort gewesen bist. Sie müssen irgendeinen Grund zu der Annahme gehabt haben, dass dein Besuch nichts Gutes bedeutet, aber sie scheinen nichts Genaues zu wissen. Sonst hätten sie dich in magische Ketten gelegt.
    Es tut nichts zur Sache, ob sie mich in irgendeiner Weise verdächtigen«, fuhr der ältere Mann fort. »Die Neuigkeiten, die ich gerade gekauft habe, reichen als Vorwand für einen Großangriff aus. Solange es keinen Zeugen gibt, wird ihr Tod auf die Unheilsprophezeiung zurückgeführt werden.« Broger feixte zu Morganen empor, was er allerdings nicht wissen konnte, da er die magische Verbindung zu seinem Bruder für abhörsicher hielt. »Komm so schnell wie möglich zurück. Dein Leben ist für mich jetzt