Der Kuss des Wolfes: Roman (German Edition)
verflog, als die Erinnerung an die Wonne, die ihr der Ritt auf seinem ungesattelten Rücken verschafft hatte, wie eine Welle über ihr zusammenschlug. Unter ihrer Miederweste, der Bluse und der Hose im Kelly-Stil breitete sich Wärme aus. Sie wischte ihre feuchten Handflächen an ihren Hüften ab und beäugte ihn abwägend.
Gerade als er ungeduldig mit den Hufen zu scharren begann, fasste sie einen Entschluss, sprang in die Höhe, packte seine Mähne, hakte ein Bein über seinen Rücken und zog sich ächzend und schnaufend ganz auf seinen Widerrist, dann brachte sie sich grinsend in die richtige Position.
Seltsamerweise wurde sie dadurch nicht an ihren letzten Ritt erinnert. Stattdessen dachte sie an eine viele Jahre zurückliegende Zeit, als sie auf seinen Rücken geklettert und er mit ihr huckepack durch die Gegend getrottet war und dabei wie ein Pferd gewiehert und geschnaubt hatte, um das kleine Mädchen zu unterhalten, das sie damals gewesen war. Also stieß sie ihn leicht mit den Absätzen ihrer Stiefel an.
»Okay, Pferdchen. Hüh!«
Dem Schnauben nach zu urteilen, das er daraufhin von sich gab, hatte er mit dieser spielerischen Aufforderung nicht gerechnet, schlug aber bereitwillig mit dem Schweif und trottete auf das östliche Tor zu. Trevan war bereits dort und öffnete es, um die Burg zu verlassen.
Fröhlich winkend ritt Alys auf dem Rücken seines Bruders an ihm vorbei. Sie krallte sich an seiner Mähne fest, als Wolfer die abfallende, im Zickzack verlaufende Straße zu dem östlichen Strand hinuntertrabte. Ein paar Minuten später schraubte sich über ihren Köpfen ein kupfergoldener Adler in die Luft und schwenkte nach links in Richtung der Nordhälfte der Insel ab. Wolfer wandte sich nach rechts und schlug einen Wildwechselpfad ein, der gen Süden führte.
Alys’ Kindheitsfreude am Reiten hielt nicht lange an. Der unebene Weg durch den Dschungel, über umgestürzte Bäume hinweg, kleine Anhöhen hinauf und hinunter in flache Täler bewirkte, dass sie auf seinem mit braunem Fell überzogenen Rücken auf und ab hüpfte. Die Erinnerung an ihren letzten Ritt stimulierte sie zusätzlich. Eine halbe Stunde nach ihrem Aufbruch lauerte Alys ungeduldig darauf, dass er eine Stelle fand, wo sie Halt machen konnten. Sie wollte nicht auf seinem Pferderücken, sondern auf ihm reiten.
Wolfer hatte jedoch ein spezielles Ziel im Sinn. Endlich blieb er am Rand einer kleinen Senke im Wald stehen. Sie war mit so dickem Moos bedeckt, dass man einen halben Fuß tief hätte graben können, ohne auf Erdreich zu stoßen. Als Teppich hätte er vermutlich den Ansprüchen seiner zukünftigen Frau genügt, denn die Fläche maß ungefähr zwölf mal zwanzig Fuß und bildete neben einem Bach eine Art Oval. Ein Schnauben und ein Neigen seines Kopfes ließen sie zwinkern.
»Ich soll absteigen?«, fragte Alys. Auf ein Nicken seines langen braunen Pferdekopfes hin glitt sie widerstrebend von seinem Rücken. Im nächsten Augenblick griff sie mit der rechten Hand – nicht in seine Mähne, sondern in das Haar seines Nackens, als er wieder Menschengestalt annahm.
Sein moschusartiger männlicher Geruch vermischte sich mit dem Duft des Mooses, des Wassers, der Bäume und der Erde, als Wolfer sie rasch von sämtlichen Kleidungsstücken befreite. Seine Hände glitten über ihren Körper, während er die ungeduldige Weise genoss, mit der sie ihn dann entkleidete. Doch als sie ihn auf das Moosbett hinunterziehen wollte, das er für sie ausfindig gemacht hatte, schüttelte er den Kopf.
»Noch nicht … erst noch einmal reiten«, murmelte er, dabei fuhr er mit den Fingern durch die Locken, die er ihr auszukämmen geholfen hatte, als sie sich früher am Morgen angekleidet hatten.
Alys sah ihn verunsichert an. »Du meinst … so? Nackt? Aber … deine Brüder …«
Ein Lächeln spielte um seine Lippen. Wolfer beugte sich vor, senkte den Kopf und knabberte an ihrem Ohr. »Saber ist entweder mit seiner eigenen Frau beschäftigt oder er arbeitet in seiner Schmiede. Kelly näht zweifellos, wenn sie nicht mit meinem Zwilling zusammen ist, Dominor wird vermisst, Evanor grübelt in der Burg über das Verschwinden seines Bruders nach, Trevan durchstreift die Nordhälfte der Insel – sein Territorium, meines ist der Süden – Rydan schläft um diese Zeit, Koranen ist vermutlich in seiner eigenen Schmiede, und Morganen sollte heute Morgen zum Lagerhaus hinuntergehen, um den Zauber, der die Karren antreibt, aufzufrischen.
Und wenn Trevan und
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