Der Kuss des Zeitreisenden (German Edition)
rückwärtigen Wand presste.
Angst durchströmte sie. Warum streckte er denn nicht seine geistigen Fühler aus?
»Was ist los?«, fragte sie.
»Ich habe die Wächter bewusstlos gemacht, aber das Hartog scheint für meine Kräfte nicht empfänglich zu sein.«
Vivianne sah sich in dem Büro um. Ein Glasbehälter mit einigen blauen Stangen darin erregte ihre Aufmerksamkeit. Sie packte ihn, öffnete den Deckel und roch daran. Waren das Leckereien für das Hartog?
Sie war sich nicht sicher. Diese Stangen mochten aus Minze sein und dienten vielleicht dazu, den Atem zu erfrischen. Oder es handelte sich um Dekoration oder gar Medizin. »Öffne die Tür.«
Jordan schob sie einen Spaltweit auf – dahinter jammerte das Hartog. Bevor das Tier auf sie zuspringen konnte, warf Vivianne eine Handvoll der blauen Stäbe durch den Spalt ins Zimmer. Das Hartog schnaubte, fraß und schlabberte glücklich. Vivianne grinste.
Jordan zog seine Laserwaffe und stieß die Tür weit auf. Das Hartog schenkte ihm keine Aufmerksamkeit; es war damit beschäftigt, seine Leckereien zu verschlingen. Hinter ihm lagen zwei Wächter ausgestreckt auf dem Boden – dank Jordans Fähigkeiten.
Vivianne folgte ihm nach drinnen und riss vor Staunen den Mund auf. Antiquitäten aus jedem Zeitalter, von jedem Planeten und jeder Rasse schmückten den Raum mit der hohen Decke. Surrealistische Gemälde, wundervoll proportionierte Statuen, abstrakte Skulpturen und prächtige Schnitzereien aus Holz, Stein und Meteorit waren in diesem fensterlosen Raum ausgestellt.
Der Ehrenplatz allerdings blieb einem weißen Granitpodest vorbehalten. Auf ihm stand ein großer Pokal mit elegant geschwungenen Henkeln.
»Der Heilige Gral?«, fragte sie mit Ehrfurcht in der Stimme.
Jordan nickte und griff danach.
»Warte.« Sie stieß seine Hand zurück. »Überprüf die Gedanken der Wächter. Versuch herauszufinden, ob das Podest mit einem Alarm verbunden ist, der losgeht, sobald der Gral angehoben wird.«
Jordan erstarrte, drang in die Köpfe der Männer ein und schüttelte schließlich den Kopf. »Nein. Wir können es tun.«
Als sie sah, wie vorsichtig er den geheiligten Pokal in die Hände nahm, durchströmten sie sowohl Glück als auch Trauer.
Sie hatten tatsächlich den Heiligen Gral gefunden.
Den heilenden Pokal, der die Erde zu retten vermochte.
Aber auch das Instrument, das Jordans Tod herbeiführen mochte.
Er stand still da, von dem glatten Metall gebannt. Seine Augen glitzerten triumphierend.
Einer der Wächter ächzte und erinnerte sie daran, dass jederzeit weitere Wachleute eintreffen konnten. »Jordan, wir sollten jetzt lieber gehen.«
Das Licht in Jordans Augen wurde zu einem hellen Leuchten. »Das ist eine Fälschung.«
»Wie … ?« Sie wirbelte so schnell herum, dass sie beinahe gestolpert wäre.
Ein schreckliches Gefühl des Fallens überkam sie. Hatten sie den ganzen Weg bis hierher denn für nichts zurückgelegt? »Woher weißt du, dass es nicht der echte Gral ist?«
»Der Gral enthält ein schwirrendes Energiefeld, das mit bloßem Auge sichtbar ist.«
Sorgfältig betrachtete sie den Pokal. »Vielleicht schläft er.«
»Es gibt nur einen Weg, es herauszufinden.« Jordan holte eine Flasche aus seinem Rucksack und goss Wasser in den Gral, dann nippte er davon. Schließlich gab er Vivianne sein Messer und streckte den Arm aus. »Stoß zu.«
Verdammt. Bei der Vorstellung allein wurde ihr übel.
»Ich besitze den Gral, und ich habe aus ihm getrunken. Wenn er echt ist, kann ich in der Schlacht nicht sterben.«
»Ich werde dir keine tödliche Wunde beibringen. Du könntest ja recht haben, und der Gral ist wirklich eine Fälschung.«
»Ein kleiner Schnitt sollte genügen.«
Ihre Hand zitterte. Schweiß trat ihr auf die Stirn und tropfte an ihrem Nacken herab. Sie leckte sich die Lippe und senkte mit einem Seufzen das Messer. »Warum tust du es nicht selbst?«
»Weil die Wunde in einer Schlacht empfangen sein muss.« Er hob die Brauen. »Eine Wunde, die man sich selbst beigebracht hat, zählt nicht.«
Vor Aufregung schien sich ihr der Magen umzudrehen. »Ich kann dich doch nicht wie ein Stück Fleisch anschneiden.«
»Stell dich nicht so an.« Seine Stimme klang jetzt härter. »Die Erde kann es sich nicht leisten, dass wir einen Fehler machen. Wir können erst dann von hier fortgehen, wenn wir sicher sind, den richtigen Gral zu besitzen.«
Seine Stimme machte einen so befehlenden Eindruck, dass Vivianne an die Ernsthaftigkeit ihrer Lage
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