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Der Kuss Im Kristall

Der Kuss Im Kristall

Titel: Der Kuss Im Kristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Ranstrom
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Tageslicht ein, und die Dunkelheit war allgegenwärtig, obwohl in Abständen immer wieder Laternen an den Wänden befestigt waren. Durch zwei verschlossene Türen geleitete man sie in einen großen Raum, wo der Gestank von Exkrementen, ungewaschenen Körpern und schmutzigem Stroh ihr entgegenschlug. Im Dämmerlicht konnte sie an den Seiten eine Reihe von Zellen ausmachen. Es war bitterkalt hier unten, und bei jedem Atemzug blies Alethea kleine Rauchwolken aus. Übelkeit stieg in ihr auf, und rasch entkorkte sie das Fläschchen, das Auberville ihr geschickt hatte. Sie hielt es sich unter die Nase, während einer der Wärter die Gefangenen mit einem langen Stock zurücktrieb.
    „Sie da! Bleiben Sie wo Sie, sind!“, brüllte er Alethea an. Er trat zu der Zelle, die am weitesten von der Tür entfernt lag, und schlug gegen die Gitterstäbe. „Zurücktreten, Gesicht gegen die Wand“, befahl er dem Gefangenen. „Sonst wird das dein letzter Besuch sein.“ Gleich darauf winkte er Alethea vor.
    Er öffnete die Tür, schob Alethea hindurch und schloss so schnell hinter ihr ab, dass sie keine Zeit hatte, sich an das Zwielicht zu gewöhnen. In der Zelle gab es kein Licht, und jetzt begriff sie, warum Lord Auberville ihr gesagt hatte, sie sollte Kerzen und Zündhölzer mitbringen. „McHugh? Rob?“, rief sie. Ihr Herz schlug so schnell, dass sie kaum zu atmen vermochte. Stille breitete sich aus. Dann hörte sie aus einer der Ecken ein leises Scharren. Himmel! Hatte der Wärter sie in die falsche Zelle geführt? „Rob?“ Ihre Stimme bebte. „Bist du hier?“
    Gütiger Himmel! War das Aletheas Stimme in diesem gottverdammten Höllenloch? Er drehte sich um, kam aus der Ecke hervor und spähte in die Dunkelheit. „Alethea?“
    Er hörte, wie sie tief Luft holte, als er vortrat. Er musste einen grauenvollen Anblick bieten. Die Konstabler hatten ihn nicht einfach so mitnehmen können. Sechs von ihnen waren nötig gewesen, damit er sie begleitete, und ganz bestimmt hatte er durch den Kampf Blessuren davongetragen. Ehe sie ihn in die Zelle warfen, hatte er bis auf Hose und Hemd alles ausziehen müssen. Überrock, Weste, Stiefel – alles war nun fort, genau wie seine Uhr und die Uhrkette. Er wollte nicht, dass sie ihn so sah. „Geh weg, Alethea. Wache!“
    „Nein!“, widersprach sie und wandte sich mit Tränen in den Augen zu Rob. Inzwischen konnte sie ein wenig von der Umgebung erkennen. „Ich hasse es, dich hier zu sehen, aber nicht so sehr, dass ich gehen würde.“ Sie legte den Umhang ab und ihm über die Schultern. „Wo sind deine Kleider? Dein Rock und die Stiefel?“
    „Die Wärter haben sie genommen“, sagte er. „Ich hatte Glück, dass sie mir nicht noch mehr weggenommen haben.“
    „Ich werde veranlassen, dass man dir das alles zurückgibt“, erklärte sie empört.
    Er lachte zynisch. „Sie werden Geld dafür verlangen und die Sachen morgen wieder stehlen. Vergeude nicht deine Zeit, Alethea.“
    Sie streckte die Hand aus und berührte seine Stirn. „Wie kann man hier nur schwitzen! Bist du krank?“
    „Es liegt an diesem Ort“, stieß er hervor und wich ihrer Berührung aus. Das war im Moment zu viel für ihn. Vielleicht würde das von nun an immer so sein. „Ich ertrage es nicht, eingesperrt zu sein.“
    Sie erbleichte, und er wusste, dass sie sich daran erinnerte, wie er sich in der Kammer unter der Treppe verhalten hatte. Wieder streckte sie die Hand aus, und wieder wich er ihr aus. Vorsichtig hielt sie ihm das kleinere der beiden in Papier eingeschlagenen Bündel entgegen. „Lord Auberville meinte, du könntest dies hier brauchen.“
    Er wickelte es aus. Kerzen. Zündhölzer. Licht. „Danke.“ Er verabscheute die Dunkelheit beinahe so sehr, wie er die Enge verabscheute. Er kauerte sich an die Wand und entzündete eine der Kerzen. Der Docht flackerte und brannte dann hell.
    Als die dunklen Ecken der Zelle sichtbar wurden, unterdrückte Alethea einen Aufschrei. Rob blickte sich um und versuchte, die Zelle mit ihren Augen zu betrachten.
    Ein Haufen schmutziges Stroh befand sich in der einen Ecke und ein Eimer in der anderen. Die Zelle war lang und schmal, nicht mehr als fünf Fuß breit und neun Fuß lang, in der Platz war für vier oder fünf Männer. Aber als gefährlicher Häftling, bei dem Fluchtgefahr bestand, hatte er eine Einzelzelle. Eine komfortable Unterbringung, verglichen mit dem Verlies des Dey.
    Rob sah sie an. So schön, so frisch und sauber. So trügerisch. Seine Verräterin. In

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