Der Kuss Im Kristall
Situation mit so viel Würde zu begegnen, wie sie nur aufbringen konnte.
Die Wärme in der gemütlichen Teestube war angenehm nach dem kalten Schneeregen. Lord Glenross nahm den Umhang von Aletheas Schultern und hängte ihn an die Garderobe, die sich außerhalb der Nische befand. Er rückte ihr einen Stuhl zurecht, und sie setzte sich. Als sie die Hand aus ihrem Pelzmuff zog, flatterten die zusammengefalteten Papiere zu Boden. In ihrem Schreck über den Zusammenstoß mit Glenross hatte sie Mr. Evans’ Listen ganz vergessen.
Glenross machte den kleinen Vorhang zu, der das Separee von dem Verkaufsraum trennte, dann drehte er sich um und bemerkte die Papiere auf dem Boden. Nachdem er sich gebückt hatte, um sie aufzuheben, schaute er Alethea fragend an. „Ihre?“
„Oh!“, rief sie aus. „Meine – meine Liste mit den täglichen Aufgaben. Und ein Einkaufszettel.“ Sie streckte die Hand aus, um ihm die Blätter abzunehmen. Wenn er sie auseinanderfaltete, würde er die Namen und die Termine sehen und wissen, was sie in Mr. Evans’ Büro gewollt hatte.
Er musste etwas von ihrer Beunruhigung bemerkt haben, denn er zögerte und betrachtete sie neugierig. „Miss Lovejoy, sind Sie sicher, dass es Ihnen gut geht?“
„Ja, natürlich.“ Wortlos streckte sie ihm die Hand noch weiter entgegen.
Er warf einen Blick auf die Papiere, als wäre ihm entfallen, dass er sie in den Händen hielt, dann lächelte er Alethea an. „Wenn es Aufgaben sind, würde ich Ihnen einen Dienst erweisen, wenn ich sie verliere.“
„Nein! Bitte, Mylord.“
„Es war ein Scherz, Miss Lovejoy. Wie es scheint, fehlt mir da die Übung. Ich hätte nicht vermutet, dass Mrs. Forbush eine so strenge Herrin ist.“
„Das ist sie nicht, Mylord. Es ist meine Liste. Sie ist persönlich.“ Alethea hasste es, dass ihre Stimme so aufgewühlt klang, aber sie wurde immer verzweifelter. Der Umstand, dass er die Liste mit den Terminen als das erkennen könnte, was sie war, machte ihr Angst.
Langsam, beinahe widerstrebend reichte Glenross ihr die Papiere. Sie schob sie rasch in ihren Muff, wo sie außer Sicht waren. Als sie wieder aufblickte, betrachtete er sie mit verwirrtem Stirnrunzeln.
„Ich – ich war mir nicht mehr sicher, was auf der Liste stand und fürchtete, ich würde heimkehren mit lauter unerledigten Aufgaben“, sagte sie. Sie fühlte sich genötigt, ihr Verhalten zu entschuldigen.
Mit ernster Miene nickte er. „Dazu habe ich eine Theorie.“
„Ja?“, fragte sie.
„Was Sie vergessen, wollen Sie nicht wirklich behalten. Und wenn es wirklich wichtig ist, vergessen Sie es nicht.“
„Ja, aber jetzt entsinne ich mich gerade wieder, dass ein Punkt auf der Liste lautete, ein Band für Dianthe zu besorgen, das sie heute Abend beim Ball der Spencers im Haar tragen kann.“
Lächelnd ließ er sich ihr gegenüber nieder. „Ah, Bänder. Das ist wirklich wichtig.“
Die Türglocke läutete. Sie hörten, wie eine andere Gruppe hereinkam und im vorderen Zimmer Platz nahm. Alethea schenkte Glenross ein verunsichertes Lächeln, als ihr plötzlich klar wurde, wie kompromittierend es sein würde, wenn man sie hier zusammen sähe. Wäre sie eine gewöhnliche Dienstbotin gewesen, hätte niemand daran Anstoß genommen, aber da sie ein Mitglied der Gesellschaft war, würde ihr Benehmen verdächtig erscheinen. An Glenross schieden sich die Geister, und durch seinen Titel war er für den ton besonders interessant. Aber dafür war es jetzt zu spät.
Glenross antwortete ihr mit einem Lächeln. Sie begriff, dass er sich der heiklen Situation voll bewusst war und dass es ihm offenbar gleichgültig war. Seltsam, dachte sie, für einen Mann, der sein Erbe und seinen Namen so sehr schätzte.
Die Serviererin brachte ein Tablett mit einer Teekanne, Tassen, Keksen, Muffins und Teekuchen, Töpfchen mit Konfitüre und Honig und dünne Sandwiches. Als sie alles auf den Tisch gestellt hatte, trat sie zurück und fragte. „Haben Sie sonst noch einen Wunsch?“
Glenross schüttelte den Kopf. „Nein, vielen Dank, Miss. Sollte etwas fehlen, werde ich mich melden.“
Sie knickste und eilte davon. Nach einer unbehaglichen Pause griff Alethea nach der Teekanne und erhob sich. Als sie ihnen beiden eingeschenkt hatte, setzte sie sich wieder hin und trank einen Schluck. Glenross wirkte mit der zierlichen Teetasse in seinen großen Händen so vollkommen fehl am Platze, dass sie lachen musste.
„Es tut mir leid, Mylord, aber Sie scheinen sich unbehaglich zu
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