Der Kuss Im Kristall
fühlen. Wodurch ich nur umso mehr in Ihrer Schuld stehe.“
„Wie das, Miss Lovejoy?“
„Weil Sie meinetwegen Ihr Wohlbefinden opfern. Ich würde mich ungern revanchieren, indem ich Sie in eine Bar führe, um dort Bier, Rum oder etwas Ähnliches zu trinken.“
Jetzt lachte er, offenbar sehr amüsiert. „Das würde ich nicht von Ihnen verlangen. Ich wäre gänzlich zufrieden, wenn Sie mir einen weiteren Walzer versprechen.“
„Dann rechnen Sie damit, Lord Glenross“, erwiderte sie entschlossener, als sie eigentlich gewollt hatte.
Die Gespräche vor ihrer Nische verstummten. Nun, da seine Identität bekannt geworden war, würde Glenross’ Treffen mit einer unbekannten Frau zweifellos das beliebteste Gesprächsthema der nächsten Zeit werden. Alethea warf ihrem Begleiter einen entschuldigenden Blick zu.
„Verzeihen Sie“, flüsterte sie. „Ich wollte keine Aufmerksamkeit auf Sie lenken.“
Er wirkte nicht im Geringsten beunruhigt. „Dies ist ein ausgezeichneter Grund für eine etwas weniger förmliche Anrede. Bitte ignorieren Sie meinen Titel, Miss Lovejoy. Nennen Sie mich Rob oder McHugh. Das tun alle meine Freunde.“
Freunde! Sah er in ihr wirklich eine Freundin? „Ich glaube nicht, dass das schicklich wäre“, meinte sie leise, damit man sie nicht wieder hören konnte.
„Ich bestehe darauf.“
Alethea öffnete den Mund und bildete mit den Lippen ein „R“, brachte diese so persönliche Anrede aber nicht heraus. Der einzige Mann, den sie jemals bei seinem Vornamen genannt hatte, war ihr Bruder Bennett. Selbst ihre Mutter hatte ihren Ehemann mit Mr. Lovejoy angesprochen.
„Kommen Sie schon, Miss Lovejoy. Das kann doch nicht so schwer sein“, neckte Glenross sie mit einem boshaften Lächeln.
„McHugh“, sagte sie schließlich, nachdem sie Rob nicht über die Lippen gebracht hatte. Vielleicht würde sie eines Tages, sollte ihre Bekanntschaft so lange andauern, ein „Lord Robert“ zustande kriegen.
Er nickte beifällig. „Das reicht für den Anfang. Und nun wollen wir Sie mit Kuchen und Konfitüre füttern.“
Mit einer silbernen Zange legte er ein Stück herrlich duftenden Kuchen auf einen Teller, tat etwas Sahne und Himbeerkonfitüre obenauf. Dann drapierte er sorgfältig eine Gabel daneben und reichte Alethea den Teller mit einer Verneigung, als wollte er ihr beweisen, dass er durchaus gute Manieren besaß.
Sie nahm einen kleinen Happen, schloss die Augen, lächelte und seufzte: „Mmm – himmlisch.“ Dann leckte sie sich mit der Zungenspitze die restliche Sahne von den Lippen.
Als sie die Augen wieder öffnete, starrte McHugh sie an, als hätte ihn der Schlag getroffen. Er blinzelte, räusperte sich und trank seine Tasse in einem Zug aus. „Ja. Himmlisch.“
Sie nippte noch einmal an ihrem Tee und betrachtete ihn. Ganz plötzlich schien sich seine eben noch so hervorragende Laune getrübt zu haben. „Geht es Ihnen gut?“, wollte Alethea wissen.
„Mir ist gerade etwas eingefallen, das ich erledigen muss, und je eher, desto besser.“
„Oh?“ Alethea fragte sich, ob sie etwas falsch gemacht hatte. Was könnte Glenross’ plötzlichen Stimmungsumschwung verursacht haben?
„Lassen Sie sich Zeit, Miss Lovejoy. Trinken Sie Ihren Tee aus, und ich werde Ihnen meine Kutsche schicken.“
„Aber – das ist nicht nötig, Mylord.“ Sie suchte nach Worten. „Ich gehe lieber zu Fuß. Wirklich.“
Er zog den Vorhang ein Stück zurück. „Inzwischen schneit es, Miss Lovejoy. Heftig. Es wird sehr kalt sein.“ Seine Stimme war streng und ließ keinen Zweifel daran, dass er ihr nicht gestatten würde, zu Fuß zu gehen.
Es war die Kälte, die Glenross plötzlich ausstrahlte, die sie frösteln ließ. „Ich habe noch einiges zu erledigen und werde immer wieder anhalten müssen.“
„Wohin müssen Sie?“
Alethea dachte an die Liste, die Mr. Evans für sie geschrieben hatte, und dass sie einen Termin mit Mr. Renquist hatte, ehe ihre nachmittäglichen Verpflichtungen als Madame Zoe begannen. Aber das konnte sie Glenross nicht sagen. „Hatchard’s, Exeter Change und …“ Sie hielt inne und wunderte sich, woher das Bedürfnis kam, Glenross davon zu erzählen. „Wirklich, Mylord, ich weiß Ihre Sorge zu schätzen, aber das ist genug.“
Der kühle Ausdruck in seinen Augen blieb unverändert. „Wie Sie meinen. Auf dem Weg nach draußen werde ich die Ladenbesitzerin bezahlen.“ Er stand auf, nahm seinen Hut und verbeugte sich steif vor ihr. Ohne ein weiteres Wort machte er
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