Der Kuss Im Kristall
Schimmer in ihren Augen entwaffnete ihn. Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch und rief: „Verdammt, Alethea, hast du denn heute Nacht nichts gelernt?“
„Doch, McHugh. Ich habe gelernt, dass du nicht lügst, denn als du mich zum ersten Mal vor dir selbst gewarnt hast, hätte ich dich einfach ziehen lassen sollen. Ich habe gelernt, dass ich dem Mörder auf der Spur sein muss, denn sonst hätte er heute Nacht nicht diesen Angriff auf mich riskiert. Ich habe gelernt, dass ich mich nur auf mich selbst verlassen kann. Also geh mir aus dem Weg.“
Was war jetzt passiert? Bisher hatte diese Taktik immer funktioniert, erfahrene Soldaten und Seeleute hatten sich gefügt. Rob war sich sicher gewesen, sie wäre schwach und besiegt. Er hatte gedacht, sie würde aufgeben. Aber offenbar sammelte sie gerade neue Kräfte.
„Hast du vergessen, wer die Zukunft deiner Familie in Händen hält?“, mahnte er sie.
„Nein. Hast du vergessen, wer den Zusammenhang kennt zwischen dir und einer Reihe ungeklärter Morde?“
„Es ist zu gefährlich für dich. Du könntest getötet werden.“
„Genau wie du.“
„Wie wäre es mit einem Kompromiss?“, bot er an. „Du sammelst Informationen, und ich verfolge sie.“
Sie verzog das Gesicht. „Sollten wir wirklich Informationen teilen, McHugh?“
Was blieb ihnen anderes übrig? „So lange du dich nicht in Gefahr bringst.“
Als Alethea das Frühstückszimmer betrat, waren dort zu ihrer Überraschung die Damen der Mittwochsliga versammelt. Es war Sonntag. Vor dem Kirchgang. Hatten sie irgendwie Wind bekommen von dem, was in der vergangenen Nacht geschehen war?
Tante Grace erhob sich, ging auf sie zu und nahm ihre Hand. „Alethea! Gerade wollte ich jemanden schicken, um dich zu wecken. Wir haben schreckliche Neuigkeiten.“
„Neuigkeiten?“, wiederholte Alethea. Vergangene Nacht war sie von Rob McHugh nach Hause begleitet worden, der immer wieder betont hatte, dass sie vorsichtig sein solle und dass er sie beobachten würde. Sie hatte Wasser heiß gemacht für ein Bad, damit sich ihre schmerzenden Glieder von dem Angriff erholten. Nachdem sie gebadet hatte und ins Bett gefallen war, hatte sie wie ein Stein geschlafen. Sie kam einfach nicht darauf, um welche Neuigkeiten es sich handeln könnte.
„Von Eloise Enrights Tod“, erklärte Grace traurig. „Niemand wusste, dass sie krank war. Aber du hattest gestern Abend eine Verabredung mit ihr, oder?“
„Ja, aber sie erschien nicht“, erwiderte Alethea, der immer unwohler zumute wurde. „Und sie war nicht krank. Sie wurde ermordet, auf dieselbe Weise wie Tante Henrietta und die anderen, von denen Mr. Renquist uns erzählte.“
Lady Annica erhob sich, trat an Aletheas Seite und legte ihr tröstend eine Hand auf die Schulter. „Es tut mir leid, das zu hören, Alethea. Mir ist klar, dass das für dich sehr schwer sein muss. Würde es dich zu sehr aufregen, uns mitzuteilen, was du weißt?“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich fürchte, ich weiß nicht viel mehr als das, was ich euch eben gesagt habe. Da die Ermittler offiziell bekannt gegeben haben, dass es eine Krankheit oder ein Unfall war, nehme ich an, dass sie über die ganze Angelegenheit Stillschweigen bewahren wollen, um einen Aufruhr zu verhindern.“
„Nun, ich empfinde dennoch einen Anflug von Angst“, erklärte Charitiy Wardlow. „Wenn Henrietta und Lady Eloise Opfer dieses Wahnsinnigen werden konnten, dann kann es jede von uns treffen. Du könntest die Nächste sein.“
Hätte der Mörder Erfolg gehabt, dann hätte es Alethea längst getroffen. Das konnte sie den Damen natürlich nicht sagen, sonst würden sie wütend werden und sie beschützen wollen. Nein, wenn sie irgendwelche Fortschritte in ihren Ermittlungen erzielen wollte, dann musste sie alles, was in der letzten Nacht geschehen war, für sich behalten.
„Darf ich fragen, wie du davon erfahren hast, Alethea?“, fragte Grace.
„Die üblichen Quellen“, erwiderte sie, wohl wissend, dass die anderen glauben würden, sie spielte damit auf Mr. Renquist an. Was keine Lüge war, aber auch nicht ganz der Wahrheit entsprach. „Ich erfuhr auch, dass am Tatort ein Rabenknopf gefunden wurde.“
„Noch ein Rabe“, sinnierte Lady Sarah. „Wenn wir den Mörder überführen wollen, müssen wir die Bedeutung dieser Zeichen verstehen.“
Grace musterte Aletheas Gesicht. „Wenn Lady Eloise nicht kam, was hat dich dann so lange aufgehalten, Liebes?“
Alethea ging zur Anrichte, um sich eine Tasse
Weitere Kostenlose Bücher