Der Kuss Im Kristall
starken Kaffee einzuschenken. Sie sprach über die Schulter hinweg, froh darüber, ihre Gefühle verbergen zu können. „Ich putzte die Wohnung und suchte dabei nach irgendeinem Hinweis in Tante Henriettas Besitztümern, den wir vielleicht übersehen haben könnten.“
„Wolltest du nicht aufhören, Alethea?“ Grace nippte an ihrer Tasse und betrachtete dabei skeptisch ihre Nichte.
Alethea errötete und hoffte, ihre Tante würde sich mit ihrer Erklärung zufrieden geben. Sie holte tief Luft und begann: „Mir fiel auf, dass ich als Madame Zoe in einer guten Position bin, um an Informationen zu gelangen. Und es ist ja nicht so, dass ich häufig in ihre Rolle schlüpfen müsste. Nur gelegentlich. Für ein paar handverlesene Klienten.“
„Hmm“, meinte Grace. „Nun, solange du eng mit Mr. Renquist zusammenarbeitest, wird es wohl nicht gefährlich sein. Glenross ist unser Hauptproblem.“
Nein, dachte Alethea. Der Mörder war die größere Bedrohung. McHugh war inzwischen im Bilde über ihr Rollenspiel, und davor hatte sie sich am meisten gefürchtet. Schaden genommen hatten nur ihr Stolz und ihre Jungfräulichkeit.
„Rob McHugh wird ihr nicht wehtun, Grace“, sagte Lady Sarah. Sie strich den Rock über ihrem leicht gerundeten Bauch glatt. „Er hat mir einmal das Leben gerettet, und ich kann mir nicht vorstellen, dass er Hand an eine Frau legt, mag er noch so wütend sein.“
„Ja, wegen Glenross würde ich mir keine Sorgen machen, Tante Grace. Mit – mit ihm werde ich fertig“, schwindelte Alethea.
Bei der vierten Tasse starken Kaffees deutete McHugh auf den Stuhl in dem kleinen Arbeitszimmer in seinem Club auf der St. James Street. „Nett von Ihnen, sich an einem Sonntag mit mir zu treffen, Dawson“, begrüßte er seinen Gast. „Was haben Sie für mich?“
„Es wird Ihnen nicht gefallen, Lord Glenross.“ Der kleine drahtige Mann seufzte, als er sich setzte und einen Stapel Papiere aus seiner Jackentasche zog.
„Ich bezahle Sie nicht, damit Sie mich glücklich machen, Dawson. Ich bezahle Sie für Informationen.“
„Die habe ich allerdings.“ Er faltete die Papiere auseinander und begann, sie durchzublättern. „Bestimmt folgen noch weitere, aber dies ist ein Anfang. Ich wundere mich, Lord Glenross, warum ein Mann mit Ihren – äh – Fähigkeiten einen Ermittler engagiert.“
„Ich musste mich um andere Dinge kümmern.“ Zum Beispiel zu verhindern, als Mörder an der Pranger gestellt zu werden. Rob lehnte sich zurück und wartete, bis der Mann bereit war.
„Na schön. Was möchten Sie zuerst hören? Die Männer oder die Frau?“
„Die Männer“, sagte er und entschied, sich das Beste für später aufzuheben.
Dawson sortierte seine Papiere um. „Nichts Bemerkenswertes, Sir. Bei dem ersten Mann schien alles ganz normal zu sein. Aber dann bemerkte er, dass er verfolgt wurde, und entwischte uns ein oder zweimal. Der Kerl ist schlau, das muss ich ihm zugestehen.“
„Ja, aber haben Sie irgendetwas gefunden, das ihn mit den Morden in Zusammenhang bringt?“
„Eigentlich nicht, Sir. Aber letzte Nacht verschwand er, ehe Lady Enright umgebracht wurde, und erst nach Mitternacht tauchte er in einer Spielhölle wieder auf. Wenn Sie mich fragen, ist das schon ziemlich verdächtig.“
McHugh nickte zustimmend. Es konnte ganz harmlos sein, aber er glaubte nicht an Zufälle. „Bleiben Sie dran, bis wir ihn von der Liste streichen oder auf frischer Tat ertappen können. Da werden wir uns wohl ein wenig gedulden müssen, aber einen weiteren Mord in der Zwischenzeit sollten wir versuchen zu verhindern. Was ist mit den anderen?“
„Ich habe Ihre Anweisungen peinlich genau ausgeführt und jeden überprüft, der von Ihrer Rückkehr wusste, während Sie angeblich noch im Krankenhaus waren …“
McHugh verzog das Gesicht. Er verglich die vierzehntägige Befragung durch die Regierung nicht gern mit einem Aufenthalt im Krankenhaus. Er zuckte die Achseln und schwieg dazu. „Gibt es irgendwelche Verdächtigen?“
„Einige. Es ist nicht leicht, Hinweise zu den Zwischenfällen zu verfolgen, weil die Vorfälle zum Teil schon länger zurückliegen, aber meine Männer bleiben dran. Zum Beispiel Mr. Ethan Travis ist ein ganz Gerissener. Wir können ihm nie länger als ein oder zwei Minuten auf den Fersen bleiben. Er bemerkt es zu schnell und entwischt ihnen.“
„Travis ist es nicht. Er hat mir das Leben gerettet, und ich ihm. Ich vertraue ihm mehr als meiner Mutter.“
„Er wusste, dass Sie
Weitere Kostenlose Bücher