Der Kuss Im Kristall
Schuldgefühle abwaschen, unter denen er litt, weil er ihr die Jungfräulichkeit geraubt hatte.
Er hatte eine Jungfrau genommen wie eine gewöhnliche Prostituierte. Für Maeve war er ihr schlimmster Albtraum gewesen und für Alethea vermutlich die Verkörperung ihrer größten Furcht. Selbst für sich selbst war er der größte Feind. Und jedes Mal, wenn er an sie dachte, sehnte er sich danach, sie so zu lieben, wie sie es verdiente.
Nein, sie hatte ihn belogen und betrogen. Sie verdiente keine Gnade von ihm. Und das, was letzte Nacht geschehen war, würde sich nie mehr wiederholen. Nie mehr.
15. KAPITEL
„Treffen in Zoes Salon gegen acht Uhr. Ich habe Informationen. R.M.“
Alethea bezweifelte nicht, dass die Nachricht von McHugh stammte. Wer sonst konnte so bestimmt eine Bitte äußern? Gern hätte sie abgelehnt, aber die Neugier drohte sie zu verzehren. Sie hatte Kopfschmerzen vorgetäuscht, war die Vordertreppe zu ihrem Zimmer hinaufgegangen, die Hintertreppe wieder hinunter und dann durch die Gartentür hinaus.
Da Zoes Salon nicht einmal eine Meile entfernt lag, versuchte Alethea gar nicht erst, eine Kutsche zu finden. Gehüllt in einen dunklen Wollumhang, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, legte sie die Entfernung in zwanzig Minuten zurück. Sie schloss die Tür zu Madame Maries Salon auf und stieg die geheime Treppe zu Zoes Räumlichkeiten hinauf.
Den Umhang warf sie über einen Stuhl, entzündete das Feuer im Kamin und entfachte dann mit einem Fidibus die Öllampe und eine Kerze auf dem Kaminsims. In der winterlichen Kälte war sie bis auf die Knochen durchgefroren, daher stellte sie einen Kessel auf den Herd, um sich eine Kanne Tee zu kochen.
Ein Klopfen an der Tür kündete McHughs Ankunft an, aber in der vergangenen Nacht hatte sie gelernt, vorsichtig zu sein. „Wer ist da?“, rief sie.
„McHugh.“
Sie wappnete sich für die erste Begegnung, seit er sie – sie ihn? – verführt hatte, dann schob sie den Riegel zur Seite und öffnete die Tür. Etwas Wildes schien in seinen Augen aufzuflackern, als er sie musterte. Wie seltsam, dass ein Blick von ihm genügte, um alles in ihr vibrieren zu lassen.
„Du wirkst nicht sehr mitgenommen.“
„Nicht äußerlich erkennbar“, erwiderte sie und fühlte sich seltsam erleichtert, dass er nicht zu ignorieren versuchte, was in der Nacht zuvor zwischen ihnen geschehen war.
McHugh verzog das Gesicht, als hätte ihre Bemerkung ihn getroffen. „Whiskey?“, fragte er.
Sie nahm eine Flasche Portwein aus dem kleinen Schrank. „Das ist das Stärkste, was ich habe“, erklärte sie. „Und die Gläser sind gestern zerbrochen.“
Er streifte den Überrock ab und entkorkte die Flasche. Mit einem etwas schiefen Lächeln nahm er die Teetasse aus Porzellan von ihr entgegen und füllte sie mit dem Portwein. Dann hob er die Tasse in stummem Salut und trank einen großen Schluck. „Der Tag war furchtbar.“
Alethea setzte sich an den kleinen Tisch und nickte. „Für mich war es auch ein wenig anstrengend.“
McHugh begann, auf und ab zu gehen. „Wie machst du das, Alethea?“
„Was?“, fragte sie.
„Wie kannst du einfach so in der Wohnung auftauchen? Ich beobachtete, wie du den Laden der Schneiderin betratest, aber ich sah dich nicht über die Treppe hinausgehen. Wie also machst du es?“ Er hatte den kleinen Alkoven betreten, der als Schlafraum diente, betrachtete die kleine Kammertür und starrte sie dann wieder mit gerunzelter Stirn forschend an.
Alethea reagierte nicht. Tatsächlich war es ihr gleichgültig, ob er den Geheimgang entdeckte oder nicht. Was spielte es noch für eine Rolle, wenn er sonst schon alles wusste?
Er öffnete die Kammer. Es dauerte nur einen Moment, bis er die wenigen verbliebenen Gegenstände beiseitegeschoben hatte und auf den Riegel stieß, der die Wand aufspringen ließ und die dunkle Treppe zeigte. Er schloss die Wand wieder und drehte sich zu ihr um.
„Schlau. Ich sah dich im La Meilleure Robe ein und ausgehen. Ich dachte, entweder hast du eine Schwäche für neue Kleider, oder du erledigst einfach Aufgaben für Mrs. Forbush, und die ganze Zeit über hast du die Zukunft vorausgesagt. Wohin führt die Treppe?“
Sie zögerte und fragte sich, ob Madame Marie Schwierigkeiten bekommen würde, wenn sie ehrlich antwortete.
„Soll ich es selbst herausfinden?“
„Sie führt zu der Kammer im hinteren Ankleideraum der Schneiderei, McHugh.“
„Dann ist Madame Marie mit dir im Bunde?“
„Nein!“ Auf keinen Fall
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