Der Kuss Im Kristall
Mörder ungestraft davonkommt. Es musste etwas getan werden.“
„Bist du verrückt?“, fragte Robert heiser. „Du wärest beinahe getötet worden.“
„Ich kannte das Risiko, McHugh.“ Wieder sah sie ihn an und schenkte ihm die Andeutung eines Lächelns, das erste seit seiner Ankunft. „Und ich habe jede denkbare Vorsichtsmaßnahme ergriffen. Es war immer jemand in Rufweite.“ Sie deutete auf den Glockenstrang, den er bei seinem ersten Besuch bereits bemerkt hatte. „Aber letzte Nacht wusste nur Lady Enright, dass ich hier sein würde. Da glaubte ich nicht, dass ich Hilfe brauchen würde.“
„Du kanntest das Risiko?“, wiederholte McHugh spöttisch. „Offensichtlich nicht, Alethea. Wartet heute jemand am anderen Ende des Glockenstrangs?“
Ihr Schweigen war Antwort genug.
„Schwörst du, dass du so etwas nicht noch einmal tun wirst?“
„Selbst wenn ich dich treffe?“
„Vor allem, wenn du mich triffst“, riet er ihr. Er konnte nicht länger widerstehen. Er hatte sie in den Arm nehmen, sie küssen und sie an sich drücken wollen von dem Moment an, da er hier zur Tür hereingetreten war. Als er sie jetzt an sich zog, rechnete er mit Widerstand, doch mit einem leisen Seufzen legte sie ihm die Arme um den Hals. Erstaunt hielt er inne: Er hatte alles getan, was ihm nur einfiel, um sie von sich fernzuhalten, aber sie kam bereitwillig zu ihm.
„Hast du gar keinen gesunden Menschenverstand?“, fragte er und beugte sich über sie.
„Gar keinen“, bekannte sie.
Er ertappte sich dabei, wie er den Moment hinauszögerte, bis ihre Lippen sich berührten, genoss den Augenblick, voller Erwartung. Wie betörend ihr Seufzen war, und als sie sich auf die Zehen stellte, um ihn endlich zu küssen, wusste er: Sie gab ihm ein Geschenk, das er nicht verdiente.
Unerträglich süß waren ihren Lippen, als sie sich ihm öffnete. Ihre Wärme, ihr Duft, ihr Geschmack – das alles brachte sein Blut in Wallung. „Alethea, ist dir noch immer nicht klar geworden, welche Folgen es hat, wenn du mich so in Versuchung führst?“
„Doch“, erwiderte sie. „Ernste Folgen.“
„Machst du immer zum unpassenden Zeitpunkt Scherze?“
Sie fuhr mit den Lippen spielerisch über seinen Hals. „Das letzte Mal hast du mir nichts anderes angetan, als das Verlangen nach mehr in mir zu wecken.“
Himmel, womit hatte er bloß diese leidenschaftliche Frau verdient? „Pass auf, sonst bekommst du es.“
„Ah, ich habe mich schon gefragt, was ich noch dafür anstellen muss.“
Diese geflüsterte Herausforderung war alles, was nötig war, damit er die Beherrschung verlor. Er schob die Finger in ihr Haar und zog ihren Kopf zurück. Er wollte zärtlich sein, wollte sie behutsam mit dem Vergnügen der körperlichen Liebe bekannt machen, doch mit ihrer natürlichen Sinnlichkeit vernebelte sie seine Verstandeskraft, und er vermochte es kaum, sich zu beherrschen. Sie ahnte nicht, welche Macht sie über ihn besaß, und er dankte Gott dafür.
Vorsichtig drängte sie sich mit der Zunge zwischen seine Lippen, ergriff zum ersten Mal die Initiative. Sofort wurde ihm heiß. Einerseits konnte er nicht glauben, dass sie ihn erwählt hatte – McHugh, den Zerstörer. McHugh, den Verführer. Andererseits war ihm das gleichgültig. Was immer ihre Gründe sein mochten, jetzt war sie hier. Und vielleicht begegneten sie sich nie wieder. Diesmal würde er das Geschenk nicht vergeuden.
Ohne die Lippen von ihr zu lösen, hob er sie hoch auf seine Arme. Er gelobte sich, dass dies keine überstürzte Vereinigung werden würde. Nein, dies hier würde sanft und süß werden. Diesmal würde er ihre nackte Haut an seiner spüren. Diesmal würde er ihr die Erfüllung schenken.
Er setzte sie auf das schmale Bett. Dann kniete er vor ihr nieder, langte um sie herum und versuchte, die Knöpfe an ihrem Rücken zu öffnen. Er kam sich unbeholfen und ungeschickt vor, bis sie begann, an dem Knoten seiner Krawatte zu zupfen. Sie schien begierig darauf, sie zu lösen, und er half ihr dabei. Nachdem er den Knoten so weit gelockert hatte, dass sie ihn ganz öffnen konnte, widmete er sich wieder ihren Knöpfen. Ihr leises Stöhnen war ihm Ermutigung genug.
Mit einer einzigen Bewegung streifte sie ihm Hemd und Rock von den Schultern und berührte dabei ganz leicht seine Haut. In der kalten Luft erschauerte er, fühlte sich verletzlich, weil er ihr seine Narben und damit seine Vergangenheit so unverhüllt offenbarte.
„Tut es noch weh?“, fragte sie leise.
Er
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