Der Kuss Im Kristall
durfte Alethea es zulassen, dass Madame Marie oder Mr. Renquist die Schuld mittragen mussten, die McHugh so gern jemandem auferlegen wollte. „Wegen ihrer Freundschaft mit meiner Tante hat sie mir Zutritt gewährt, aber mit meiner Wahrsagerei hat sie nichts zu tun.“
Er nickte und schien beruhigt. „Wie es scheint, hast du alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen, um deine Identität als Madame Zoe zu schützen. Sehr schlau.“
Sie wollte ihn nicht ermutigen, weiter über ihre Aktivitäten zu sprechen. Stattdessen versuchte sie, das Thema zu wechseln. „Du meintest, du hättest Informationen, McHugh?“
„Ja, ich habe eine Art Liste.“
„Wovon?“
„Mögliche Tatverdächtige.“ Er kam zum Tisch und legte ein Stück Papier darauf. „Sag mir, was du denkst.“
Sie faltete das Blatt auseinander und las. Ethan Travis. Lord Kilgrew. Douglas McHugh. Martin Seymour. „Diese Männer sind deine Freunde. Ich kann mir keinen von ihnen als Mörder vorstellen, ganz zu schweigen davon, dir absichtlich die Schuld daran anhängen zu wollen. Das muss ein Irrtum sein.“
„Ich wünschte, es wäre so. Als wir versuchten festzustellen, wer wusste, dass ich wieder in England war, und wem es lieber gewesen wäre, ich wäre nicht zurückgekehrt, kristallisierten sich unglücklicherweise nur diese Namen heraus. Trotzdem ist es mir bisher noch nicht gelungen, ein Motiv zu erkennen. Außer bei Douglas. Logisch betrachtet müsste er der Schurke sein. Ohne mich würde er den Titel erben, die Ländereien, Geld …“
„Das kann ich nicht glauben. Es ist so offensichtlich, dass er dich gern hat. Dianthe sagt, er singe ständig ein Loblied auf dich. Wenn jemand dich beleidigt, gerät er außer sich.“
McHugh wirkte außerordentlich erleichtert, und Alethea wurde klar, wie schwer dieser Verdacht auf ihm gelastet haben musste. „Das war auch meine Meinung. Aber mir fällt kein Grund ein, warum sonst irgendeiner auf dieser Liste meinen Tod wünschen sollte.“
Sie entsann sich ihres früheren Gesprächs mit Sir Martin. Gewiss war sein Wunsch, sie sollte ihm gehören, nicht so groß, dass er – nein. Nein, natürlich nicht. Die Morde hatten schon begonnen, ehe sie Robert McHugh überhaupt nur begegnet war. Doch ein kleiner Zweifel blieb. „Sir Martin hat mich gestern Nachmittag aufgesucht.“
Robert wandte sich wieder zu ihr um und blickte sie misstrauisch an. „Seit der Weihnachtssoiree bei deiner Tante habe ich ihn nicht mehr gesehen.“
„Er befragte mich wegen des Zwischenfalls in der Kammer unter der Treppe.“
Wieder begann McHugh auf und ab zu laufen. „Das geht ihn nichts an. Ich hoffe, du hast nicht versucht, ihm etwas zu erklären.“
„Er meint, dass es ihn durchaus etwas angeht, McHugh. Er wollte wissen, ob du mich kompromittiert hast. Und er warnte mich vor dir und sagte, du hättest vor mir schon andere Frauen ins Unglück gestürzt.“
McHugh lächelte finster. „Ja. Martin hat recht. Ich ruiniere alles, was ich berühre, Alethea. Zu schade, dass er dich nicht eindrücklich genug gewarnt hat.“
„Ich dachte, du solltest Kenntnis darüber haben, was er über dich sagt.“
„Ja. Hinter vorgehaltener Hand vermutlich, aber ich nehme an, er hat eine Schwäche für dich. Verliebte Männer neigen dazu, Dummheiten von sich zu geben und zu tun.“
„Ja.“ Sie seufzte. „Das tat er.“
McHugh hielt inne und sah sie an. „Wie dumm?“
„Er machte mir einen Antrag.“
Er setzte sich ihr gegenüber und betrachtete ihr Gesicht. „Und was hast du geantwortet?“
„Ich bat um etwas Zeit.“
Er nickte. Seine Miene war unergründlich. „Genügend Zeit, um sicher zu sein, dass du nicht ein Kind von mir erwartest?“
Der Gedanke war ihr niemals gekommen. Der Schreck stand ihr offenbar ins Gesicht geschrieben, denn endlich zeigte McHugh einen Anflug von Mitgefühl. „Letzte Nacht hat diese Möglichkeit mich wach gehalten. Wenn du ein Kind erwartest, Alethea, werde ich dich nicht im Stich lassen. Ich würde dir ein Haus auf dem Land einrichten …“
Es überlief sie kalt. Obwohl ihr Herz schneller schlug, jedes Mal, wenn McHugh ihr nahe war, obwohl sie ihn jedes Mal, wenn sie zusammen waren, von Neuem begehrte, konnte sie den Gedanken nicht ertragen, aufs Land abgeschoben zu werden, um seinen Bastard aufzuziehen. Sie wollte ihn – ganz oder gar nicht. „Darüber will ich nicht sprechen.“
„Du kannst die Möglichkeit nicht verdrängen.“
„Du greifst vor. Mir geht es gut.“
Er nickte. „Wir
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