Der Kuss
Lukas, oder keiner.
Und dann war da ja auch noch Lu. Himmel, was spielte
sie
in Lukas' kranker Fantasie für eine Rolle? Sollte sie da etwa auch –
mit
machen
?
„Warte, Michael! Was hab ich den
jetzt
schon wieder gesagt?“, rief Lukas und rannte hinter seinem Freund her. Die Hitze sengte brutal, die stickige Luft flirrte über dem Asphalt und Michael hatte den Eindruck, regelrecht im Boden zu versinken, in ihm kleben zu bleiben, durch zähe Masse zu waten. Er wollte schneller laufen, aber sein Kreislauf machte Schwierigkeiten, er begann Sternchen zu sehen, und trotz der Hitze hatte er plötzlich das Gefühl, zu frieren.
Endlich erreichte er die Haustür, bald würde ihn die kühle Luft des Treppenhauses empfangen und von dieser Affenhitze erlösen. Michael konzentrierte sich darauf den richtigen Schlüssel zu wählen, da wurde die Tür von Innen aufgerissen und ein drahtiger Kerl prallte gegen ihn.
Ronny. Der hatte gerade noch gefehlt. Belustigt musterte der tätowierte Kerl den schmächtigen Jungen und hielt ihm die Tür so auf, dass Michael unter seinem Arm hindurch ins Haus flitzen musste. Eine hübsch demütigende Geste.
Schwierig aber liebenswert,
von wegen! Michael zischte verärgert und stolperte ins irritierend dunkle, dafür erholsam kühle Treppenhaus. Er registrierte, dass hinter ihm Ronny und Lukas aneinander gerieten. Rasch eilte er außer Reichweite, drückte sich an die angenehm kühle Wand hinter der nächsten Ecke und lugte zum Eingang.
Ronny baute sich breitbeinig vor Lukas auf.
„Ärger im Paradies?“, ätzte er gemein.
„Haha, sehr witzig!“, wehrte sich Lukas nicht gerade originell und versuchte, an ihm vorbei zu kommen.
„Ich
er
das?“, wollte Ronny wissen und stellte sich Lukas spielerisch in den Weg.
„Lass mich vorbei!“, forderte dieser, und die beiden tanzten mal einen Schritt nach links, dann nach rechts. Für Ronny, eindeutig der Stärkere, schien das ein lustiges Spiel zu sein, er rempelte Lukas immer wieder mit seiner Brust. Der wiederum wirkte eingeschüchtert, versuchte es vergeblich immer wieder. Michael kam diese Form des Spiels von Jägern mit der Beute bekannt vor. Erinnerungen an den Schulhof drängten sich in sein Bewusstsein.
„Erst, wenn du meine Frage beantwortest!“, stellte Ronny zur Bedingung, packte Lukas grob an den Armen, als dieser beinahe die Sperre überwunden hatte, und schubste ihn unsanft zurück. Auch wenn Michael so wütend auf Lukas war, dass er ihm im Moment am liebsten alles Schlechte dieser Welt gewünscht hätte, musste er gegen den Impuls ankämpfen, ihm zur Hilfe zu eilen. Es tat weh, was er da mitansehen musste.
„Das geht dich nichts an!“, fauchte Lukas. Ronny packte ihn daraufhin am Kragen und schleuderte ihn empfindlich gegen die Wand. Er musste
definitiv
stärker als Lukas sein, so mühelos, wie er das tat und sich dabei auch noch königlich amüsierte. Michael schluckte. Er hätte keine Chance gegen diesen Kerl. Dennoch war er kurz davor, sein Versprechen gegenüber seiner Mutter zu brechen, und sich notfalls in eine sinnlose Prügelei mit diesem Idioten zu stürzen.
„Also?“, tönte Ronny im Befehlston, stellte sich dicht vor Lukas und schnaufte ihm ins Gesicht. Lukas wandte den Kopf ab und nickte leicht.
„Ich höre nichts!“, beschwerte sich Ronny, klatschte unerwartet direkt neben Lukas' Ohr in die Hände. Der zuckte erschrocken zusammen. Warum wehrte er sich denn nicht? Lukas hätte eine Chance, wenn er nur wollte. Ronny spielte mit ihm, wie mit einem wehrlosen Tier. Michaels Herz zog sich zusammen. Und dieses Arschloch
liebte
Lukas?
„Ja“, knurrte Lukas widerwillig und fixierte eine Fliese im Boden.
„Ja
was
?“, bestand Ronny auf eine umfassendere Antwort, packte Lukas am Kiefer, und drehte dessen Kopf ruppig zu sich herum. Lukas funkelte ihn wütend an.
„Ja, er ist
es“,
gab er Ronny, was dieser haben wollte.
„Ja, er ist
was!“,
gängelte der jedoch weiter. Lukas wand sich unter dem rücksichtslosen Griff, presste seine Lippen aufeinander und verweigerte weitere Zugeständnisse. Plötzlich zerrte Ronny ihn kurz von der Wand weg, nur um ihn nochmal dagegen zu schleudern. Das war garantiert schmerzhaft, hatte Michael unzählige Male selbst erlebt. Lukas ächzte, hustete, rang nach Luft. Mit hochrotem Kopf und glasigen Augen fixierte er Ronny, schien ihm zunächst weiter Paroli bieten zu wollen, es sich dann aber anders zu überlegen.
„Ja, er ist der …
Kerl
den ich … liebe“, murmelte
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