Der lächelnde Henker
»Sir, der Fall in Pitlochry liegt sehr lange zurück. Dort habe ich zwar mit dem Henker gesprochen, wenn Sie so wollen, aber ich kann mich an seine Stimme so gut wie nicht erinnern, das müssen Sie mir glauben.«
»War auch nur eine Vermutung.« Sir James nahm seine Brille ab und putzte die Gläser. »Haben Sie einen Vorschlag, meine Herren?«
Selten waren wir so ratlos gewesen.
Suko meinte: »Ich glaube, daß sich der Henker versteckt hält, die Dunkelheit abwartet, um dann zuzuschlagen.«
»Davon gehe ich auch aus«, gab Sir James meinem Freund recht. »Und wo wollen Sie sich während der Dunkelheit aufhalten, John?« wandte er sich an mich.
»In meiner Wohnung. Die ist überschaubar, Sir.«
Der Superintendent schaute Suko an, weil er dessen Meinung hören wollte.
»Ich stimme John ebenfalls zu, Sir.«
»Dann gebe ich mich geschlagen.« Sir James lächelte. »Wir können sogar hoffen, daß der Henker bei Ihnen erscheint, John, damit Sie ein für allemal Schluß machen können.«
Ich hatte überhaupt nicht zugehört, sondern vor mich hin gegrübelt. Jetzt hob ich den Kopf und sagte: »Es war nicht seine Stimme.«
»Wie?« Sir James stieß die Frage hervor.
»Je länger ich über den Anruf nachdenke, um so sicherer werde ich mir, Sir. Ich glaube nicht, daß mich der Henker angerufen hat.«
»Wer dann?«
»Er war es trotzdem!«
Jetzt zog auch Suko ein ungläubiges Gesicht. »Entschuldige, John, aber das verstehe, wer will. Ich nicht.«
»Es ist gar nicht so schwer, wenn man darüber nachdenkt. Jemand ist in die Haut des Henkers geschlüpft. Ich bin der Meinung, ciaß es nicht der Henker von Pitlochry war.«
Nach dieser Bemerkung lastete das Schweigen zwischen uns. Suko und Sir James dachten über meine Worte nach. Der Superintendent faßte schließlich zusammen. »Also gut«, sagte er. »Gehen wir davon aus, daß der schwarze Henker und dieser lächelnde jetzt nicht ein und dieselbe Person sind. Ich will nicht herausfinden, wer sich hinter der Maske verbirgt, es bleibt aber die Aufgabe, diesen unheimlichen Killer zu finden. Koste es, was es wolle. Da sehe ich schwarz.«
Was sollten wir darauf sagen? Wir waren ja so hilflos. Der andere, unser Gegner, besaß all seine Trümpfe.
»Vielleicht ergibt die Fahndung doch etwas«, versuchte Suko uns Mut zu machen und sich selbst natürlich auch.
»Ich glaube nicht an den Weihnachtsmann«, erwiderte ich und spielte gedankenverloren mit einem Bleistift. »Wenn man wüßte, wie man dem Henker eine Falle stellen kann, würde ich mich schon als Köder zur Verfügung stellen«, murmelte ich.
Suko antwortete scherzhaft. »Versuch es doch mal mit einem Artikel oder Aufruf in der Zeitung.«
»Danke, ich verzichte zugunsten anderer.«
»Lassen Sie die Ungereimtheiten«, wies Sir James uns zurecht. »Der Fall ist einfach zu brisant, um sich darüber lustig zu machen. Wir müssen Moro möglichst bald finden, nicht erst nach der nächsten Leiche!«
Sir James hatte uns da aus dem Herzen gesprochen. Aber war es machbar?
Wir befanden uns tatsächlich in einer Sackgasse. Es gab keine Spur, die wir aufnehmen konnten, den schwarzen Henker hatte auch niemand gesehen, er schien wie vom Erdboden verschluckt zu sein. Und dann erreichte Sir James ein Anruf. Ich will nicht von Zufall sprechen, sondern vom Erfolg einer ausgeklügelten Fahndung, die unser Chef eingeleitet hatte. Zudem war von ihm angeordnet worden, daß alle Dinge, die mit dem Henker unmittelbar zu tun hatten, sofort an ihn weitergeleitet wurden.
Er nahm den Hörer ab, lauschte für einen Moment und stellte dann den Verstärker ein, so daß Suko und ich über Lautsprecher das Gespräch mithören konnten.
Das Gespräch kam aus Lindfield, wie wir hörten. Der Chef einer kleinen Polizeistation gab die Meldung durch.
Auch er hatte von der gewaltigen Ringfahndung erfahren, die Scotland Yard eingeleitet hatte. Sie war nicht nur auf London begrenzt geblieben, sondern umfaßte einen Umkreis von rund 50 Meilen. Suko war aufgestanden und schaute auf der Karte nach.
Ich konzentrierte mich auf das Gespräch und erfuhr, daß jemand den Henker im Ashdown Forest gesehen hatte.
Der Ashdown Forest war ein großes Wald-und Sumpfgebiet. Er zählte an den Wochenenden zu den Naherholungsgebieten für großstadtmüde Londoner. In der Woche lag der Wald wie tot.
Für den Henker ein ideales Gebiet. Gleichzeitig fragte ich mich bereits, was ihn dorthin trieb. Oder wollte er mich in dieser einsamen Gegend in die Falle Iocken?
Wie
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