Der lächelnde Henker
Kahn!« rief er seinen Freunden zu. »Ich habe die Nase voll.«
»Du bist doch unser Herkules«, sagte Oliver Roos.
Heinz nickte. »Ich werfe dich gleich auf einen Baum«, erklärte er. »Da kannst du Tarzan spielen.«
»Und Anke wird die Jane, nicht?«
Als Heinz Ansions Freundin noch lachte, drehte er fast durch. Er ballte schon die Hände, da griffen Jürgen Fleischberger und Walter Lieh ein. Gemeinsam beruhigten sie den Freund.
Alle paßten nicht in das Boot hinein. Sie mußten in zwei Durchgängen zur Insel rudern.
Keiner bestimmte, aber sie teilten es so auf, daß zuerst drei hinüberruderten und den Großteil des Gepäcks mitnahmen. Die anderen würden dann beim zweiten Durchgang die Insel besuchen. Anke Witt, Volker Jungbluth, und Heinz Ansion ruderten als erste.
Heinz hatte die Stangen gepackt. Er machte das wie ein Profi und brachte das Boot sicher bis zur Insel, wo sie ausstiegen, das Gepäck ausluden, Heinz noch einmal zurückruderte und die anderen einlud. Fünf Personen faßte der Kahn kaum. Er lag tief im Wasser.
Heinz ruderte auch nicht mehr allein. Jürgen Fleischberger half ihm dabei. Heinz war nicht ein so geübter Kahnfahrer. Wenn er das Ruder ins Wasser stieß, spritzte es oft, und die anderen beschwerten sich lautstark.
Dann schnitt der Bug in das Schilf. Die harten, grünen, aus dem Wasser wachsenden Stöcke blieben stehen. Sie wurden nur zur Seite gebogen, als der Kahn seinen Weg auf den seichten, schlammigen Untergrund fand.
Die drei auf der Insel halfen mit, das Gepäck zu entladen und warfen es in das hohe Gras. Volker Jungbluth zögerte plötzlich, seinen Rucksack auf die Erde zu legen. »He, schaut mal her!« rief er und behielt das Gepäckstück in der Hand.
»Was ist denn?« Neugierig kamen die anderen näher. Mit der freien Hand deutete Volker auf einen Fleck, der runde Ausmaße besaß. »Hier hat doch jemand etwas verbrannt«, stellte er fest.
Walter Lieh ließ sich auf die Knie fallen. Er rückte seine Brille zurecht, besah sich den »Schaden« und nickte. »Tatsächlich, Freunde, hier hat ein Feuer gebrannt.«
»Wer kann es angezündet haben?« Anke hatte die Frage gestellt.
Heinz Ansion gab darauf eine Antwort. »Vielleicht hatten andere tue gleiche Idee wie wir.«
Niemand sagte etwas Gegenteiliges. Heinz' Meinung wurde voll von den Freunden akzeptiert.
Sie vergaßen die Brandstelle schnell und schauten hinüber zum Ufer. Es war seltsam, aber in den letzten Minuten hatten die Kühle und Feuchtigkeit zugenommen, so daß über dem Wasser ein leichter Dunstschleier lag. Allen war klar, daß es Nebel geben würde.
»Das wird richtig gespenstisch«, meinte Walter Lieh und schaute auf seine Uhr, die auch einen Datumsanzeiger aufwies. »Übrigens, Freunde, wir haben den 31. Oktober.«
»Und was bedeutet das?« wollte Oliver wissen.
Walter lachte. »Ist doch klar, du Sprücheklopfer. Halloween, die Nacht der Geister…« Er nahm beide Hände hoch, verdrehte die Augen und schrie »Uu-uuhhh…«
Oliver Roos deutete auf die Burg. »Da habe ich meinen Geist versteckt. Um Mitternacht wird er kommen…«
Sie alle waren dem Blick ihres Freundes gefolgt und schauten sich die Burg an.
So verfallen war sie gar nicht. Nur der Westflügel hatte dem Zahn der Zeit nicht widerstehen können. Das Dach war eingefallen, aber die Mauern standen noch. Ansonsten besaß die Burg oder das Schloß keine Sperrmauer, man konnte durch ein großes Tor in den wuchtigen Haupttrakt hineingehen.
Dieser Trakt wirkte schon von außen gesehen ziemlich verschachtelt. Es mußte in seinem Innern zahlreiche Treppen geben, die nach oben und unten führten. Erker, Türmchen und kleine Söller wuchsen aus dem Gemäuer, was Anke Witte zu der Bemerkung veranlaßte. »Das sieht aus wie ein Dornröschen-Schloß.«
»Vielleicht finden wir eine Prinzessin«, meinte Oliver und rieb sich die Hände. »Sollen wir nachschauen?«
»Nein!« entschied Jürgen Fleischberger, der Cliquen-Chef. »Zunächst werden wir das Gepäck in die Burg schaffen, dann wird Holz für das Lagerfeuer gesammelt, denn es wird zu dieser Jahreszeit sehr schnell dunkel. Hinterher finden wir dann nichts. Haltet die Taschenlampen bereit.«
Die anderen waren einverstanden. Bevor sie gingen, warfen sie noch einen Blick über die Insel.
Das Schloß war das einzige Gemäuer. Ansonsten gab es nur alte Bäume, hohes Gras, viel Unkraut und auch dichte Büsche, die im Laufe der Zeit hochgewuchert waren.
Eine etwas unheimliche Gegend, wenn man den
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