Der lächelnde Henker
ohne Überraschungen.
Wo ein schmaler Weg in den Wald hineinführte, um im Dunkel der dichtstehenden Bäume zu verschwinden, bewegte sich plötzlich das Unterholz. Daran trug nicht der Wind schuld, da lauerte jemand!
Ein Zucken des Unterholzes, ein Beugen der braun gewordenen Farne, dann schälte sich ein unheimliches Wesen hervor.
Der schwarze Henker!
Er war es, der dort gelauert hatte. Nur er. Minutenlang hatte er sich versteckt gehalten und durch die Augenschlitze seiner Kapuze alles beobachtet, bis er sicher sein konnte, daß er von keinem gesehen oder entdeckt wurde.
Dann erst verließ er seinen Platz.
Auf dem Wasser und am Ufer war der Dunst besonders dicht. Hier bildete er schon einen regelrechten Nebel, in den der Henker eintauchte wie ein großer schwarzer Schatten.
Das Grau des Nebels verschluckte ihn, die gewaltigen Wolken wallten um ihn herum, und als er ging, da sah es so aus, als wollte er sie teilen. Das Beil hielt er in der rechten Hand. Er hatte den Arm am Körper herabhängen. Bei jedem Schritt bewegte er sich rhythmisch, und manchmal blitzte die halbrunde, mörderische Klinge. Erschreckt lösten sich einige Vögel von den Ästen, als sie die unheimliche Gestalt sahen, die jetzt das Ufer erreicht hatte und für einen Moment stehenblieb.
Wie eine Statue stand der Henker da. Sein Blick war nach vorn gerichtet, die kalten Augen bohrten sich in den grauen Nebel hinein, er schaute zum Schloß hin und entdeckte die Mauern nur als dunkle, gewaltige Schatten.
Jahrelang schon war das Schloß nicht mehr bewohnt gewesen, doch der Henker wußte es besser.
Er hatte einen Auftrag bekommen. Von Wikka, der Oberhexe. Sie wollte diese Insel zu einem Festplatz des Teufels machen. Das Stück Land sollte ihr gehören, dort hatte sie den Teufel beschworen, doch nun waren Menschen gekommen, die ihr den Platz streitig machen wollten. Das konnte Wikka auf keinen Fall zulassen. Deshalb hatte sie sofort die Konsequenzen gezogen und dem schwarzen Henker Bescheid gegeben. Er wußte, was er zu tun hatte…
Ein Ruck ging durch seine Gestalt. Unter der Kutte bewegte er sich, das lange Gewand warf Falten, die aufeinander zuliefen, und den Henker hielt nichts mehr an seinem Platz.
Er wollte zur Insel.
Seine Füße knickten das harte Schilf, als er das Wasser betrat. Obwohl es ziemlich kalt war, machte es dem Henker nichts aus. Er trat in den kleinen See, ging weiter geradeaus, verschmolz mit der grauen Nebelsuppe und war wie ein wandernder Schatten, von dem schließlich nur die Schultern und der Kopf aus dem Wasser schauten, so daß es wirkte, als würden sie auf der Oberfläche schwimmen und keinen Kontakt mehr zum Boden haben.
Schritt für Schritt näherte er sich der Insel. Beim Gehen wühlte er kleine Wellen auf, die er vor sich herschob und die dann an seiner Gestalt vorbeiliefen, wobei sie hinter ihm ein sich öffnendes Dreieck bildeten. An der tiefsten Stelle reichte ihm das Wasser bis zu den Schultern. Blätter klebten an seiner nassen Kleidung fest, als er allmählich das andere Ufer erreichte und sich aus dem Wasser schob. Wieder wirkte es drohend und gespenstisch, als er das kühle Naß verließ.
Er zerstörte das Schilf, das ihn hindern wollte, ging ein paar Schritte und blieb plötzlich stehen, denn er hatte etwas entdeckt. Das Boot.
Es war auf das Ufer gezogen worden und lag mit dem Kiel nach oben. Unter der Kapuze drang ein dumpf klingendes Lachen hervor, denn der Henker hatte sich sehr schnell entschlossen.
Er brauchte für sein Vorhaben nicht einmal viel Kraft, hob kurz den rechten Arm und ließ die Mörderklinge nach unten sausen. Ein Schlag reichte. Das Holz des Kiels brach weg, als bestünde es aus Papier.
Der schwarze Henker war noch nicht zufrieden. Er packte zu und schleifte das Boot durch das hoch wachsende Schilf, bevor es Kontakt mit dem Wasser bekam, das durch die geschlagene Öffnung augenblicklich in das Bootsinnere gurgelte.
Das war geschafft!
Der Henker richtete sich auf.
Sieben junge Menschen sollten sich auf der Insel aufhalten, so hatte ihm Wikka gesagt.
Er aber wollte dafür sorgen, daß es bald keine mehr waren, denn seine Axt brauchte Blut…
***
Das Teewasser kochte, und die ersten Beutel waren in die große Kanne geworfen worden. Schon wenig später zog allen ein bekannter Duft in die Nase. Die Freunde freuten sich auf den ersten großen Schluck, der den Körper von innen durchwärmte. Sie hatten alles vorbereitet. Nicht nur das Teewasser dampfte, auch das Lagerfeuer
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