Der lächelnde Henker
Kolchose.«
Sie kannten ihn alle. Heinz Ansion stellte sich immer ein wenig abseits. Wenn es allerdings darauf ankam, hielt er natürlich zu ihnen. Sein Entschluß, dem alten Gemäuer einen Besuch abzustatten, wankte bereits, als Heinz sah, daß Walter Lieh hinter sich griff und seine Gitarre hervorholte.
»Auch das noch!« stöhnte er. »Lieder zur Klampfe oder so. Nee, Freunde, so kann man mich vertreiben.«
»Kannst du nicht auch mal tolerant sein?« erkundigte sich Wolfgang C. Bischoff, und Volker Jungbluth, der neben ihm saß, nickte bestätigend.
»Das hat mit Toleranz nichts zu tun, wenn ich mal einen Blick in das Gemäuer werfen will«, verteidigte sich Heinz.
»Okay, geh schon.«
Bevor sich Ansion in Bewegung setzte, warf er noch einen Blick auf Anke Witte. Sie hielt den Kopf gesenkt und starrte in die Flammen. Wenn sie so dasaß, wußte Heinz, daß sie sich ärgerte und schwer sauer war.
Fast abrupt machte er kehrt, drehte den anderen den Rücken zu und steuerte das Gemäuer an.
Die alte Burg machte in der Dunkelheit einen unheimlichen Eindruck. Hinzu kam auf den Mauern das Wechselspiel zwischen rötlichem Licht und dunklen Schatten. Es sah aus, als würden Gespenster aus den Steinen steigen.
Davon ließ sich Heinz Ansion allerdings nicht abschrecken. Als Feigling hatte er noch nie gegolten. Wenn es irgend etwas zu erledigen gab, war er das Problem immer direkt angegangen. Ihn kümmerte auch nicht die Entdeckung seiner Freundin Anke. Nach wie vor glaubte er, daß Anke sich diese Gestalt mit den beiden Schlangen am Kopf nur eingebildet hatte.
Bevor er die alte Burg betrat, drehte er sich noch einmal um. Restlicht des Lagerfeuers erreicht ihn und ließ seine Gestalt seltsam zerfließend erscheinen.
Nur Anke hatte sich umgewandt, um ihrem Freund nachzuschauen. Den rechten Arm hatte sie halb erhoben, als wollte sie ihm einen letzten Gruß nachsenden.
Heinz grinste, drehte sich um und tauchte in das Gemäuer ein. Bereits nach wenigen Schritten blieb das etwas traurig klingende Gitarrenspiel des Walter Lieh hinter ihm zurück.
Jetzt hielt ihn das Gemäuer umfangen.
Es war so dunkel, daß er sich ohne eine Taschenlampe nicht mehr zurechtfand. Die Gefahr, gegen ein Hindernis zu laufen, war einfach zu groß, deshalb schaltete Heinz die Lampe auch ein und folgte mit seinen Blicken dem armdicken Strahl, der einen hellen Tunnel in die Finsternis des Raumes schnitt.
Er drehte sich.
Bleich huschte der Strahl über die mit Spinnweben und Schmutz beklebten Innenwände. Es war kalt im zerstörten Schloß. Durch die offenen Fensteröffnungen wehte der Wind. Er brachte auch den Nebel mit, dessen Schwaden sich in das Innere rollten, träge in Nähe der Fensteröffnungen blieben, bevor sie allmählich nach unten glitten und wie Dampf den einsamen jungen Mann umwallten.
Heinz Ansion befand sich inmitten dieser seltsamen Horror-Atmosphäre aus Nebel, Dunkelheit und dem künstlichen Licht seiner eingeschalteten Taschenlampe.
Er fühlte sich wohl.
Zwar hatt er nicht zu denen gehört, die die Horror-Tour empfahlen, aber er hatte sofort zugestimmt, weil er es mochte, sich im Hauch einer Gefahr zu bewegen, wenn er sich diese momentan auch nur einbildete. Er überlegte, was er machen würde, wenn aus den Mauern plötzlich geisterhafte Gestalten kriechen würden, um ihn einzufangen. Oder bleiche, blutsaugende Vampire, die sich ihn und seine Freunde als Opfer aussuchten.
Heinz sah gern Gruselfilme. Diesen Schauer hier erlebte er echt, da brauchte er sich nicht von Szenen auf der Kinoleinwand faszinieren zu lassen.
Er hatte jetzt die Stelle erreicht, wo er mit Anke Witte zusammengetroffen war. Vom Feuer her hörte er ein lautes Lachen. Wahrscheinlich hatte Oliver Roos wieder einen seiner berühmtberüchtigten Scherze losgelassen. Die Freunde lachten, und Heinz schlüpfte durch den Bogen in den Raum der alten Burg, wo zahlreiche Gänge abzweigten und auch eine Wendeltreppe in die Höhle führte.
Da mußte Anke die seltsame Frau gesehen haben. Obwohl Heinz es immer abgestritten hatte, war er sich längst nicht so sicher, wie er vor den anderen tat.
Vielleicht hatte Anke tatsächlich etwas gesehen. Er wollte auf jeden Fall nachschauen.
Der Wind hatte die abgefallenen Blätter auch in diesen Raum hineingeweht. In einer Ecke waren sie dann liegengeblieben und bildeten dort einen Laubhaufen.
Heinz Ansion ging weiter. Diesmal zögernder, denn ab und zu erwischte er mit dem hellen Lampenstrahl einen der düsteren
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