Der lächelnde Henker
fragte Jürgen Fleischberger.
»Ich… ich…« Anke schluckte, hob die Schultern und wußte nichts zu erwidern. »Eigentlich habe ich Angst. Schließlich war ich schon einmal in diesem Bau.«
»Willst du am Feuer bleiben?«
»Allein?«
»Darauf liefe es hinaus.«
»Nein, Jürgen, auf keinen Fall. Dann gehe ich mit euch. Bei euch fühle ich mich sicher.«
»Okay, tapferes Mädchen.« Jürgen schlug Anke auf die Schulter und nickte ihr zu. Dann wandte er sich an die übrigen Mitglieder seiner Gruppe. »Los, Freunde, wir wollen nicht hier festwachsen. Habt ihr eure Taschenlampen mit?«
»Klar.«
»Dann auf ihn mit Gebrüll.« Jürgen gab sich optimistisch, was er in Wirklichkeit nicht war. Aber er konnte vor den anderen Freunden schlecht sein Gesicht verlieren.
Als erster schritt er durch den Eingang. Anke Witte blieb in seiner Nähe, sie schritt dicht hinter ihm. Es folgten Walter Lieh, Volker Jungbluth, Oliver Roos, und den Schluß machte Wolfgang C. Bischoff. Keiner von ihnen sprach. Jeder machte sich seine Gedanken, und die waren nicht gerade optimistisch, wie man von den Gesichtern der jungen Leute ablesen konnte.
Jürgen Fleischberger war nicht tief in das Gemäuer hineingegangen, sondern nach zwei Schritten schon stehengeblieben. Jetzt erhellten sechs eingeschaltete Taschenlampen das Innere dieses ehemaligen Saals, und sofort wirkte die Umgebung nicht mehr so unheimlich wie in der Dunkelheit, obwohl Nebelschwaden durch die offenen Fenster krochen und sich allmählich dem Boden entgegenrollten. Zudem befand sich keiner allein in der alten Burg. Die Nähe der anderen machte jedem einzelnen Mut.
»Ihr leuchtet jede Ecke aus«, erklärte Jürgen Fleischberger und teilte seine Freunde ein. Niemand widersprach.
Sternförmig gingen sie auseinander. Anke Witte blieb bei Jürgen. »Was glaubst du?« fragte sie und sprach so leise, daß kein anderer es verstehen konnte. »Ist ihm was passiert?«
»Willst du eine ehrliche Antwort?« Jürgen war stehengeblieben. Er leuchtete den Boden an und sah Fußspuren, die von Heinz stammen konnten.
»Ja, Jürgen, bitte…«
»Mittlerweile glaube ich auch, daß da einiges nicht mit rechten Dingen zugeht.«
»Ob er tot ist?« wisperte Anke. Ihre Stimme zitterte, die Augen waren angstvoll aufgerissen.
»Unsinn…«
»Aber ich meine…«
»He, da ist ja ein Durchgang«, rief Oliver Roos. »Los, Leute, kommt, vielleicht hat er sich in dem anderen Raum versteckt. Kann doch gut möglich sein.«
Die jungen Leute schoben sich weiter und erreichten den zweiten Raum, den Anke Witte kannte, denn hier begann auch die Wendeltreppe, auf der die seltsame Frau gestanden hatte.
»Mann!« rief Oliver laut, »schaut euch das mal an. Lauter Eingänge zu Stollen oder so…«
Sie leuchteten sofort mit ihren Lampen hin und zählten genau vier düstere Schacht-oder Gangöffnungen, die sternförmig abzweigten.
»Jetzt weiß ich genau, weshalb Heinz nicht geantwortet hat«, sagte Walter Lieh. »Der ist auf eine Erkundungstour gegangen.« Die anderen nickten beifällig.
»Das ist gefährlich!« rief Anke.
»Allein würde ich es nicht machen«, sagte Walter. »Aber du kennst doch deinen Freund. Der ist der Typ, der sogar dem Teufel noch ins Auge spucken will.«
Jürgen Fleischberger ärgerte sich. Er hatte sich alles so gut vorgestellt und ausgemalt. Die Horror-Reise nach England sollte zu einer Gemeinschaftstour werden. Alle wollten mitmachen, keiner durfte sich ausschließen, und ausgerechnet jetzt drehte dieser verflixte Ansion durch.
Die fünf Jungen und das Mädchen standen wir verloren herum. Guter Rat war jetzt teuer. Keiner wußte so recht, wie es weitergehen sollte, und es wollte auch niemand die Entscheidung übernehmen. Bis sich Wolfgang C. Bischoff bückte und mit seiner Lampe in einen Schachteingang hineinleuchtete. Der Strahl durchschnitt wie ein scharfes Messer die Finsternis, aber er riß nur die feuchten Gangwände aus der Dunkelheit, ein Ziel traf er nicht, so daß er sich schließlich in der Schwärze verlor.
Wolfgang richtete sich wieder auf. Dabei sah er, daß es ihm die anderen nachgetan hatten, aber sie alle waren so erfolglos wie Wolfgang C. Bischoff.
Walter Lieh schimpfte sogar über die fetten Spinnen, die im Strahl seiner Lampe erschienen waren und blitzschnell davonhuschten, als sie von dem Licht getroffen wurden.
»Was jetzt?« Volker Jungbluth hob die Schultern. Er hatte die Frage gestellt und den anderen damit aus dem Herzen gesprochen. Niemand wußte,
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