Der lächelnde Henker
verwehender Schatten verschwunden.
»Schau mal auf die Karte«, sprach ich Suko an. »Wie lange müßten wir noch rumkutschieren.«
Suko verglich und rechnete. »Wenn mich meine schwachen mathematischen Kenntnisse nicht getäuscht haben, dann liegen noch gut zwei Meilen vor uns, bis wir unser Ziel erreicht haben. Allerdings führt diese Straße hier nicht direkt an dem See vorbei. Wir müssen kurz zuvor noch einmal abbiegen.«
Ich verzog die Mundwinkel. »Als was ist der Weg denn in deiner Karte eingezeichnet?«
»Da laß dich mal überraschen.«
Zunächst ließen wir uns vom Nebel überraschen, der auf einmal wieder dichter wurde. Abermals fluchten wir um die Wette, wieder konnten wir nur sehen, wenn wir die Scheiben nach unten fahren ließen. Suko wollte sogar aussteigen und vor dem Bentley herlaufen, als abermals das kleine Wunder geschah und die graue, wallende Suppe vor den beiden Scheinwerferstrahlen durchsichtiger wurde.
»Der Gott des Nebels hat ein Einsehen«, stöhnte Suko und ließ sich wieder im Sitz zurückfallen.
Ich dachte da pessimistischer. »Noch sind wir nicht am Ziel, Alter. Und das liegt am Wasser. Da wird die Suppe wieder dicht sein.«
»Du bist dir aber ziemlich sicher, den schwarzen Henker dort zu finden«, meinte mein Freund und Kollege. »Wenn du mich fragst, gehe ich den Fall mit mehr Skepsis an.«
»Wo sollte er sonst stecken?«
»Überall. Hier gibt es doch genügend Gegend.«
»Klar, aber nur eine alte Burg. Ein ideales Versteck für solch eine Bestie.«
Eine Weile schwiegen wir, bis Suko sagte: »Mich würde tatsächlich interessieren, ob ich es hier mit dem echten schwarzen Henker zu tun habe. Denn so überzeugt bist du davon auch nicht, oder irre ich mich da?«
»Du irrst dich nicht.«
»Also nicht der schwarze Henker?«
»Verflixt, Suko, du nervst mich. Wenn er es nicht ist, muß es auf jeden Fall einer sein, der etwas gegen mich hat.«
»Wenn ich die Gegner aufzählen sollte, wäre ich morgen früh noch nicht damit fertig.«
Suko hatte zwar leicht übertrieben, aber irgendwie den Nagel schon auf den Kopf getroffen.
Diesmal sah ich die Abzweigung als erster. Eine Hecke, eigentlich nur ein grauer Schemen, trat plötzlich zurück und gab den Blick in eine kleine Einmündung frei.
Bisher waren wir zum Großteil auf geteerten, wenn auch engen Straßen gerollt. Nun mußten wir auf einem Feldweg weiterfahren, nicht mehr als ein landwirtschaftlicher Pfad, der für Trecker und Ackerfahrzeuge gedacht war. Aber der gute alte Bentley hatte schon die schlimmsten Pisten geschafft, er würde auch bei dieser nicht verzweifeln. Der Wagen ließ uns nicht im Stich. Treu und brav schaukelte er über den Weg. Die Bodenwellen nahm er sicher und glatt. Auch der Nebel ließ sich ertragen. Im Gegensatz zu unserer vorherigen Annahme wurde er in Richtung See oder Teich nicht dichter, sondern hielt sich zurück. Bäume säumten jetzt den schmalen Fahrweg. Ihre kahlen Äste wuchsen manchmal über dem Dach des Bentley zusammen, so daß es wirkte, als würden wir durch eine graue Röhre fahren.
Die Sicht hatte sich so gebessert, daß wir auf 50 Yard Entfernung etwas erkennen konnten. Als die Bäume zurücktraten, da mußten wir am Ziel sein.
Diese Annahme bestätigte sich schnell. Rechts von uns sahen wir eine graue Fläche. Nicht nur durch den Nebel produziert, sondern auch durch einen Teil des Wassers.
Ich stoppte.
»Aussteigen und Boot fahren«, sagte Suko.
Vor dem Wagen trafen wir uns wieder. Der Atem dampfte vor unseren Lippen. Er vermischte sich mit der Nebelsuppe. Ich rieb mir die Hände. Es war kühl geworden.
Den Burberry hatte ich im Wagen gelassen. Sollte es zu einer Auseinandersetzung kommen, wollte ich mich nicht durch den Mantel behindern lassen.
Suko rieb sich die Augen.
»Kannst du dann besser sehen?« fragte ich ihn.
»Kaum, aber ich suche deinen Henker.«
»Soll ich ihn rufen?«
»Wäre doch mal was.« Der Inspektor war noch immer nicht überzeugt, die Bestie hier zu finden.
Ich entfernte mich von meinem Partner, ging einige Schritte zur Seite und blieb dann stehen, um über die graue Wasserfläche zu starren. Viel war wirklich nicht zu sehen. Die dicken Schwaden dampften über der Oberfläche. Sie bildeten Kreise und Spiralen, befanden sich in ständiger Bewegung, und mir gelang es nur sehr schwer, einen kompakten, düsteren Schatten auszumachen, der schemenhaft aus dem Nebel hervorstach. Das mußte die Insel sein, und auf ihr stand ja das unheimliche Gemäuer,
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