Der lächelnde Henker
Ahnung.«
Ich dachte nach. »Vielleicht hat er das Boot zerstört, damit niemand mehr mit ihm von der Insel wegkann.«
Suko schaute mich an. Dann nickte er. »Der Gedanke ist grausam, kann aber den Tatsachen entsprechen.«
»Auf jeden Fall müssen wir rüber.«
»Da saufen wir vorher ab.«
»Nicht, wenn wir es abdichten.«
Suko fragte nicht, womit, sondern hatte gleich die richtige Idee. Wir rissen Gras und Erde aus dem Boden, brachten beides in den Kahn und preßten das Zeug auf das Leck.
Das war zwar nur mehr provisorisch, doch ich hoffte, daß es für die Überfahrt reichte.
Wir beeilten uns. Obwohl Suko und ich nicht darüber sprachen, hatten wir beide das Gefühl, unbedingt gebraucht zu werden. Die ganze Szenerie, so unheimlich sie war, bekam noch ihren makabren Touch, wenn ich daran dachte, daß der Henker irgendwo lauerte. Und daß sich vielleicht mehrere Menschen auf der Insel befanden, die seinem Mörderbeil nicht entgehen konnten.
»Fertig«, sagte Suko.
»Drück die Daumen, daß es hält«, erwiderte ich und keuchte, als ich den Kahn in die Höhe hob.
Wir bahnten uns einen Weg durch das dichte Schilf und waren froh, als wir den Kahn absetzen konnten. Zum Glück lagen noch die Ruder auf den Planken.
Ein Boot steuern konnten wir. Es war nicht das erstemal, daß wir in einem Kahn saßen und selbst mit Hand anlegen mußten. Nur war dies hier ein kleiner See, mehr noch mit einem Teich zu vergleichen. Schon bald hatte uns der Nebel verschluckt. Vom Ufer aus konnten wir nur noch als Schatten gesehen werden.
Wir sprachen kein Wort und gaben uns ansonsten die größte Mühe, verräterische Geräusche so weit wie möglieh zu vermeiden. Hin und wieder schmatzte das Wasser, wenn wir die Ruder eintauchten. Kräftig legten wir uns ins Zeug.
Mittlerweile konnten wir die Insel schon besser erkennen. Sie schälte sich aus dem dunkelgrauen Dunst. Nicht ein fremdes Geräusch durchbrach die Stille. Die uns umgebende Szenerie konnte unheimlicher überhaupt nicht wirken.
Eine richtige Gruselkulisse.
Noch war das Wasser tief genug, so daß unser Boot nicht mit dem Kiel über Grund schleifte. Die provisorische Abdichtung war nicht schlecht. Zwar drückte das Wasser von unten her, es quoll auch durch das Gras, allerdings war es kaum der Rede wert, und es behinderte uns auch nicht bei der Paddelei.
Dann hörten wir das schleifende Geräusch, als unser Boot mit dem Kiel über den Grund glitt.
Noch ein paar Schläge mit dem Paddel, und wir konnten den Kahn endlich verlassen.
Aufatmend blieben wir stehen.
Es war schon beklemmend, was wir da zu sehen bekamen. Düster, von Nebelschwaden umwallt, lag das Gemäuer der Burg vor unseren Augen. Die Schwaden schienen zu großen, gewaltigen Händen geworden zu sein, die es nicht aus ihren Klauen lassen wollten. Automatisch suchten wir nach Spuren, sahen auch das geknickte Gras und waren nun davon überzeugt, nicht die einzigen auf dieser Insel zu sein.
Der Schrei klang dünn.
Beide hörten wir ihn!
Ein kurzer Blick, ein Griff nach den Waffen, dann liefen wir los. Wir waren gespannt, welche Überraschung die alte Burg für uns noch auf Lager hatte…
***
Es war der zweite Schock innerhalb von Minuten, und damit mußten die jungen Leute erst fertig werden.
Walter Lieh hatte von einem Mörder gesprochen, der noch in der Nähe sein konnte.
Er war in der Nähe, sie sahen ihn. Und er stand groß breit und düster im Durchgang zum Nebenraum. Das Streulicht der Taschenlampen erreichte ihn, sie alle sahen seine Gestalt den wallenden Umhang und die über den Kopf gezogene Kapuze.
Ein Bild, das Angst, Grauen und Terror ausstrahlte!
Und wieder hörten sie das Geräusch, das sie so entsetzte. Dieses hohle, schreckliche Kichern. Triumphierend, gemein, häßlich und auch tödlich, wie die jungen Leute fanden.
Sie waren nicht in der Lage, sich zu verständigen. Keiner gab eine Anweisung. Niemand wußte, was sie tun sollten, dieser Henker war einfach zu stark.
Auch Walter Lieh, der bisher vorbildlich die Nerven behalten hatte, schwieg. Er konnte einfach nichts mehr sagen, atmete durch den offenen Mund und starrte die Gestalt an.
Wenn er genauer hinschaute, glaubte er, auf der Klinge dunkle Flecken zu sehen.
Blut! Das Blut ihres toten Freundes Heinz!
Anke Witte stand dicht vor einem Nervenzusammenbruch. Sie hatte sich an Jürgen Fleischberger geklammert, der sie ebenfalls festhielt, ohne eseigentlich zu merken. Ihre körperlichen Reaktionen erfolgten automatisch, sie wurden
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