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Der lächelnde Henker

Der lächelnde Henker

Titel: Der lächelnde Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Schrei hatte sich nicht wiederholt. Ich fragte mich, ob wir nicht einer Täuschung erlegen waren, sprach darüber auch mit Suko, aber der Inspektor war fest davon überzeugt, den Schrei gehört zu haben. Der Nebel hielt uns umfangen wie ein Kokon die Seidenraupe. Sehen konnten wir nur sehr wenig, wahrscheinlich hatte die Nebeldichte weiter zugenommen.
    Viel nutzten uns die Lampen nicht. In der Entfernung einer Armlänge wurde das Licht bereits vom Nebel aufgesaugt, und es wirkte wie ein zerfasernder Fleck.
    Gefühle hatte ich ausgeschaltet. Ich konzentrierte mich auf die vor uns liegende Aufgabe und rechnete sogar damit-, daß der schwarze Henker plötzlich aus dem Nebel erscheinen würde.
    Wir hatten das Gemäuer erreicht, konnten jedoch nicht viel erkennen und machten uns daran, die alte Burgruine zu umrunden. Vielleicht sah es auf der anderen Seite besser aus.
    Wir achteten auch auf Stimmen. Hörten nichts, der Nebel verschluckte jedes Geräusch. Selbst die schwarzen Totenvögel schwiegen. Gespenstischer hätte es wirklich nicht sein können, als wir damit begannen, das Gemäuer zu umrunden.
    Das Gelände darum war nicht nur flach und mit Rasen bedeckt. Es wuchsen dort auch einige Bäume, Trauerweiden, die zu der Stimmung genau paßten. Ihre Zweige hingen nach unten, manche berührten sogar den Boden.
    Der rötliche Schein fiel uns auf. Trotz des Nebels konnten wir ihn erkennen, wie er durch die graue Suppe leuchtete. Helle Finger schienen in das Grau hineinzustoßen und es vertreiben zu wollen.
    »John, das ist ein Feuer«, sagte der Chinese. »Und wo ein Feuer ist, können auch Menschen sein.«
    Ich runzelte die Stirn, strengte mich an und bohrte den Blick nach vorn in die graue Suppe.
    Den Schein sah ich wohl, allerdings keine Menschen. Wir wurden noch vorsichtiger. Ich hatte mein Kreuz griffbereit in die Seitentasche gesteckt, in der linken Hand hielt ich die Lampe, in der rechten die Pistole mit den geweihten Silberkugeln. Suko und ich hatten uns getrennt. Von zwei Seiten wollten wir uns dem Feuer nähern.
    Schon bald wurde es größer, breiter, und es gab dem Nebel einen blutigen Schein. Genau dort, wo er verschluckt wurde, blieb ich stehen. Wie ein Geist erschien die Gestalt meines Freundes an der gegenüberliegenden Seite des Feuers.
    »Nichts«, hörte ich seine dumpfe Stimme.
    »Aber hier haben Menschen gelagert.« Ich deutete auf die verteilt liegenden Gepäckstücke. Sogar einen Teekessel erkannte ich auf dem über den fast heruntergebrannten Flammen stehenden Dreibein.
    »Sieht mir nach einer hastigen Flucht aus«, bemerkte Suko. »Sie scheinen gestört worden zu sein, hoffentlich nicht durch den Henker.«
    Ich ließ Suko reden und zählte die Gepäckstücke nach. Da hatten mindestens fünf oder sechs Personen um das Feuer gesessen, und die befanden sich in Gefahr, falls der schwarze Henker tatsächlich hier auf der Insel lauerte.
    Wo konnte er stecken?
    Es gab für uns eigentlich nur eine Antwort auf diese Frage. Wenn sich der Henker tatsächlich auf der Insel verborgen hielt, mußte er sich innerhalb des Gemäuers befinden.
    »Schauen wir dort nach«, sagte ich zu Suko und schwenkte den Strahl der Lampe in die entsprechende Richtung.
    Mein Partner hatte natürlich nichts dagegen. Ich stand näher an der alten Burg und gelangte deshalb als erster an den Eingang. Innerlich vibrierte ich, denn ich spürte, daß sich gleich etwas Entscheidendes ereignen würde. Es war eine Ahnung, ein nicht erklärbares Wissen, und ich wurde noch vorsichtiger, als ich die Burgruine betrat.
    Hinter mir schob sich Suko in das Gewölbe.
    Als Gewölbe konnte man es kaum bezeichnen. Es war mehr ein Saal oder ein großer Raum, in den wir geraten waren. Der Boden war mit Schutt, Gesteinsresten und Laub regelrecht überladen, so daß es für uns unmöglich war, ihn lautlos zu durchqueren.
    Wir leuchteten überall hin. Auch der Decke entgegen. Die Strahlen strichen an den Innenmauern entlang, sie berührten auch die Fensteröffnungen. Leere Rechtecke, die längst ihre Scheiben verloren hatten und durch die der Nebel dampfte.
    »Hier ist nichts«, meldete mein Freund und Kollege, der sich von mir entfernt hatte.
    Ich entdeckte einen Augenblick später den Durchgang. Er führte in den Nebenraum. Bevor ich hineinging, leuchtete ich erst einmal mit dem Lichtfinger in das Innere.
    Es sah so aus, wie auch in dem ersten. Ich schwenkte meinen linken Arm, der Lichtfinger wanderte mit, und plötzlich erfaßte er einen auf dem Boden

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