Der Lächler
was sie im Flugzeug noch hatten abstauben können.
Wenn die Bahn hielt, schaute Onopko kurz hoch. Fuhr der Zug an, senkte er seinen Blick wieder.
Auch die Sprache machte ihn nicht unsicher. Er verstand so gut wie nichts, was er jedoch nicht als störend ansah. Überhaupt machte er den Eindruck eines Mannes, der genau wußte, wo sein Ziel lag. Der Kontakt war auch bereits vorhanden.
Er hatte die Stiche in seinem Kopf gespürt, die erste Botschaft, und damit war die Verbindung bereits geschlossen. Er wußte, daß er Krommow und Tacharin finden würde, auch wenn ihm nicht bekannt war, wo sich die beiden genau aufhielten, aber das ließ sich ändern.
London war für ihn wichtig. Er wußte, daß die Themse die Stadt durchquerte. Man hatte ihn gut vorbereitet, er war mit Informationen über den Westen gespickt worden, er hatte auch die Sprache gelernt, und er merkte, wie dieses Wissen aus der Tiefe der Vergessenheit in die Höhe stieg. Auf einmal verstand er, was die Menschen redeten, da war etwas in seinem Kopf gerissen, er konnte frei denken, er würde zurechtkommen, und über seine Lippen huschte wieder dieses Lächeln, das die Augen nicht erreichte. Onopko fühlte sich wohl. Er war nicht mehr unsicher, er war jetzt einer von ihnen, er würde sich durchsetzen können, er würde… er würde…
Der Zug hielt.
Menschen stiegen aus, andere ein, und der Lächler spürte so etwas wie einen gefährlichen Strom, der unsichtbar auf ihn zuwehte. Er hätte sich gern hingestellt, um sich umzuschauen, aber er blieb hocken und bewegte sich langsam. Er durfte nur nicht auffallen. Wenn er das tat, konnte er seinen Auftrag vergessen.
Deshalb schaute er nur langsam.
Die Türen hatten sich geschlossen. Ihm gegenüber waren einige Sitze leer. Onopko schaute durch die leicht beschlagenen Scheiben. Sie waren auch bekritzelt. Der Bahnsteig und die Menschen gaben nur ein verschwommenes Bild wieder, aber die vier Gestalten, die zwischen den Fenstern und ihm erschienen, sahen beim besten Willen nicht verschwommen aus, sondern waren sehr klar.
Sie setzten sich.
Grell und bunt. Dunkle Kleidung, farbige Haare. Einer trug eine knallrote Baskenmütze. Er war dick, ein Fleischkloß mit verschlagenen Augen und einem schiefen Grinsen im Gesicht. Auf seinem T-Shirt war das Hinterteil eines sich bückenden Menschen abgebildet, und der passende Spruch stand darunter.
Onopko las ihn. Vielleicht hatte er zu lange hingeschaut, denn der dicke junge Mann war aufmerksam geworden, und es hatte ihm nicht gepaßt, daß er beobachtet worden war. Er schob seine Unterlippe vor, auch die Zungenspitze tauchte für einen Moment auf, dann schnellte sie wieder zurück und tanzte in seinem Mund, was Onopko an den Bewegungen der Wangen erkannte.
»Was ist? Gefällt dir meine Mütze nicht?« Der Lächler schwieg.
Das paßte dem Kerl auch nicht. »He, ich habe mit dir gesprochen. Was ist mit meiner Mütze?«
Die anderen drei lächelten, sie freuten sich. Sie hatten sich breit hingelümmelt und warteten darauf, was der Kerl mit den dunklen, kurzen Haaren unternehmen würde. Wenn es zu hart kam, würden sie eingreifen und auch auf den Ort keine Rücksicht nehmen.
»Sie ist gut«, sagte Onopko. Es waren seine ersten Worte in dieser fremden Sprache, und er wunderte sich darüber, wie glatt sie ihm aus dem Mund gerutscht waren.
Der Dicke hatte mit dieser Antwort nicht gerechnet. Er pustete seine Wangen auf, was sein Gesicht noch mehr veränderte. Dabei überlegte er sich eine Antwort und sagte: »Mehr weißt du nicht zu sagen, verdammt?«
»Nein.«
»Das ist mir nicht genug.«
»Warum nicht?«
»Die Mütze ist nicht gut, sie ist einmalig, verstehst du?«
Onopko verstand wirklich nicht, deshalb schüttelte er den Kopf.
»Sag, daß sie einmalig ist.«
Der Killer zögerte einen Augenblick. »Sie ist einmalig«, wiederholte er, was dem Mützenträger auch nicht paßte, denn er hatte sich innerlich bereits auf eine Konfrontation eingestellt. Auch seine Freunde grinsten, was ihn noch wütender machte. Er suchte nach einem Ausweg aus dieser Misere, hatte sich dann entschlossen und riß die Mütze mit einer heftigen Bewegung ab. Das flache Stück lag auf seiner rechten Hand, deren Arm er ausstreckte. »Da ist sie, Mann. Toll, nicht? Ich erlaube dir, sie aufzusetzen. Das ist eine Ehre für dich, glaube es mir. Setz meine Mütze ruhig auf.«
Onopko hob den Blick. Da der Dicke ihn ebenfalls anschaute, ließ es sich nicht vermeiden, daß sich ihre Blicke trafen. Zum
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