Der Lächler
erstenmal entdeckte der junge Mann etwas in den Augen des Killers, das ihn frösteln ließ. Er kam plötzlich nicht mehr zurecht. Er war unsicher geworden, die Kälte in den Augen machte ihm Angst. Er hatte damit gerechnet, Unsicherheit zu sehen, wenn nicht Furcht, aber dieser Typ da gegenüber war alles andere als furchtsam.
Er hatte die Augen eines Toten, die trotzdem alles sahen und registrierten.
Einen Mensch, der so schaute, den hatte der Dicke noch nie gesehen.
Seine Kumpane verstanden das Zögern nicht. Einer von ihnen fragte:
»Was ist, Fatty? Machst du nicht weiter?«
Fatty schwitzte. Er wußte nicht, wie er sich verhalten sollte und was gut oder schlecht war.
Noch immer starrte der andere ihn an. Und er lächelte dabei. Seine Mundwinkel waren in die Breite gezogen. Er zeigte seine Zähne, die wie Klötze aussahen, als warteten sie darauf, die Kehle des Menschen zerreißen zu können.
Fatty zog seine Hand zurück. Er wollte plötzlich nicht mehr. Er hatte auf seine innere Stimme gehört und konnte nicht wissen, wie gut das gewesen war, denn es wäre der Zeitpunkt gekommen, wo Onopko keine Rücksicht mehr genommen hätte.
Die Lage entspannte sich. Zudem lief der Zug in einem Bahnhof ein und verlor rasch an Tempo.
Fatty stand auf. Über seine dicken, hellen Wangen lief der Schweiß in dünnen Bahnen. »Ich steige aus«, sagte er zu seinen Kumpanen, ohne Onopko noch eines Blickes zu würdigen.
»Aber hier nicht, Fatty, wir wollten zum Piccadilly.«
»Ich steige trotzdem aus.«
Die anderen verstanden seine Reaktion nicht, hielten ihn auch nicht zurück. Sie waren unsicher. Erst als sie der Lächler ebenfalls angeblickt hatte, da spürten sie auch etwas von dieser anderen Kraft, die in ihm steckte. Sie nickten und stemmten sich hoch. Der Zug hatte gestoppt.
Aus den offenen Türen quollen die Fahrgäste auf den Bahnsteig und mit ihnen vier junge Leute, die nicht wußten, wie ihnen geschehen war, was eine Person wie Onopko nicht weiter störte. Er vergaß sie schnell.
Das Schicksal meinte es gut mit ihm. Er hatte die Reise ausgezeichnet überstanden. Es war ihm gelungen, sich in der Kiste zu verstecken, er war durch den Zoll gelangt, und er hinterfragte auch nicht, wie das so rasch hatte geschehen können. Wahrscheinlich stand ihm die Hölle zur Seite. Er war eben etwas Besonderes.
Onopko mußte noch einige Stationen fahren, bis er sein Ziel erreicht hatte. Nahe der Themse würde er aussteigen und dort auch irgendwo die Nacht verbringen. Der Kontakt zu seinen Schöpfern mußte intensiviert werden. Er würde sie besuchen, und er würde mit ihnen abrechnen. Er würde einen blutigen Weg hinterlassen, denn sie hatten ihn verraten.
Onopko lehnte sich zurück.
An seinem Rücken spürte er den Druck des im Gürtel steckenden Messers. Noch hatte er es nicht gebraucht – das aber würde sich ändern…
***
Sir James hatte uns zugehört, hin und wieder die Brille mit den dicken Gläsern abgenommen, sie über den Schreibtisch geschoben, und wir hatten auf einen Kommentar seinerseits gewartet, doch er hatte sich in diesem Fall zurückhaltend gezeigt.
Dann war der Anruf erfolgt. Man hatte am Flughafen in einer Lagerhalle die Leiche eines Mitarbeiters gefunden. Dem Mann war das Genick gebrochen worden. Sein Mörder schien aus einer Kiste geklettert zu sein, die aus Rußland eingetroffen war und den Zoll sogar passiert hatte.
Ein Toter in der Lagerhalle eines Flughafens. Eine schlimme Sache.
Kein normaler Fall, ein ungewöhnlicher Mord.
Sir James hatte sich auf unsere Bitte hin kurz vor dem Gespräch noch mit einer Zentrale in Verbindung gesetzt und darum gebeten, daß er über alle Verbrechen informiert wurde, die in nächster Zeit passierten, und dazu hatte das Auffinden der Leiche gehört.
Wir wußten, daß es Onopko gewesen war, denn die Ladung hatte aus Rußland gestammt.
»Er ist es, Sir«, wiederholte ich einige Male und schaute auf das Nicken meines Vorgesetzten.
»Ja, er ist es.«
»Und wir haben einen Grund, einzugreifen.«
Sir James lehnte sich zurück. »Den haben wir in der Tat, John, und ich bin auch dafür – aber«, er legte eine Pause ein, »manchmal können Situationen eintreten, in denen wir zurückstecken müssen.«
Das wollten wir nicht akzeptieren, und Suko kam mir zuvor. »Was heißt das, Sir? Sind wir draußen?«
»Ich denke schon.«
»Warum?«
»Wir werden an die beiden Russen nicht herankommen. Sie haben mir von der Informationssperre berichtet. Ich denke, daß sie nicht
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