Der lange dunkle Fünfuhrtee der Seele
zurückwandern.
Er wußte, ehe er das I Ging, selbst ein elektronisches, um Rat fragte, sollte er versuchen, seine Gedanken zu sammeln und sich setzen zu lassen.
Das war ein hartes Stück Arbeit.
Sosehr er auch versuchte, den Kopf frei zu bekommen und ruhig und konzentriert nachzudenken - er war außerstande, Geoffrey Ansteys Kopf anzuhalten, der sich unentwegt in seinen Gedanken drehte. Er kreiste auf eine irgendwie mißfällige Art und Weise, als zeige er mit einem anklagenden Finger auf Dirk. Die Tatsache, daß er keinen anklagenden Finger hatte, mit dem er zeigen konnte, diente lediglich dazu, den Standpunkt, den er darlegen wollte, desto unerbittlicher klarzumachen.
Dirk kniff die Augen zusammen und versuchte, sich statt dessen auf das Problem der auf so mysteriöse Weise verschwundenen Miss Pearce zu konzentrieren, bekam die Sache aber nicht recht in den Griff. Als sie bei ihm gearbeitet hatte, war sie öfter mal auf mysteriöse Weise zwei, drei Tage lang verschwunden, aber damals hatten die Zeitungen keinerlei Gewese darüber gemacht. Zugegeben, damals war auch nichts um sie herum explodiert, wenigstens nicht, daß er was davon wüßte. Sie hatte auch nie was ausdrücklich Explosives von sich gegeben.
Immer wenn er an ihr Gesicht dachte, das er zuletzt im Fernseher in Geoffrey Ansteys Haus gesehen hatte, neigten seine Gedanken augenblicklich dazu, sich zu dem Kopf hinabzubegeben, der drei Etagen tiefer sich rastlos dreiunddreißigeindrittelmal pro Minute drehte. Das war der ruhigen und beschaulichen Stimmung, die er suchte, nicht zuträglich. Auch nicht die furchtbar laute Musik aus der Musikberieselung des Cafes.
Er seufzte und starrte auf das elektronische I Ging.
Wenn er seine Gedanken in eine Art Ordnung bringen wollte, war eine chronologische Ordnung so gut wie jede andere. Er beschloß, mit seinen Gedanken zum Beginn des Tages zurückzukehren, ehe eines dieser schrecklichen Dinge passiert war, oder zumindest, ehe er davon erfahren hatte.
Zuerst war da die Sache mit dem Kühlschrank.
Er hatte den Eindruck, daß, verglichen mit allem anderen, das Problem, was man mit dem Kühlschrank tun solle, inzwischen auf handliche Maße geschrumpft war. Es rief noch immer schmerzhafte Angst- und Schuldgefühle hervor, aber das, dachte er, sei ein Problem, dem er mit relativer Ruhe entgegensehen könne.
Das kleine Gebrauchsanweisungsheftchen schlug vor, er solle sich einfach »seelenvoll« auf die Frage konzentrieren, die ihn »bedränge«, sie niederschreiben, darüber nachdenken und die Stille genießen, und wenn er dann innere Harmonie und Heiterkeit erreicht habe, solle er den roten Knopf drücken.
Es gab keinen roten Knopf, aber es gab einen blauen Knopf, an dem »Rot« stand, und Dirk nahm an, das sei derjenige welche.
Er konzentrierte sich eine Weile auf die Frage, dann suchte er in seinen Taschen nach einem Stück Papier, konnte aber keines finden. Schließlich schrieb er seine Frage: »Soll ich einen neuen Kühlschrank kaufen?« auf eine Ecke seiner Papierserviette. Aber dann kam er zu der Ansicht, wenn er warten würde, bis er innere Harmonie und Heiterkeit erreicht habe, könnte er den ganzen Nachmittag da sitzen, und so machte er gleich weiter und drückte schon mal auf den blauen Knopf, der mit »Rot« bezeichnet war. Ein Symbol erschien in einer Ecke der Anzeige, ein Hexagramm, das
folgendermaßen aussah:
3 : DSCHUN
Das elektronische I Ging ließ dann diesen Text über seine winzige LCD-Anzeige rollen:
»DAS URTEIL VON KÖNIG WEN:
Dschun Bedeutet Schwierigkeiten Am Anfang. Wie Ein Grashalm, Der Hervorsprießend Auf Stein Stößt. Die Zeit Ist Voller Unregelmäßigkeiten Und Unklarheiten: Der Edle Wird Seine Maßnahmen Danach Ausrichten Wie Beim Ordnen Der Fäden Von Kette Und Schuß. Beharrliche Korrektheit Bringt Am Ende Erfolg. Erste Schritte Sollten Nur Mit Vorsicht Getan Werden. Die Einsetzung Von Lehnsherren Wird Nutzen Bringen. ZEILE 6 ÄNDERT SICH:
DER KOMMENTAR DES HERZOGS VON CHOU: Pferde Und Wagen Müssen Weichen. Ströme Blutiger Tränen Werden Fließen.«
Dirk dachte einen Augenblick darüber nach, und dann kam er zu dem Schluß, daß das alles in allem ein Votum für die Anschaffung eines neuen Kühlschranks zu sein schien, was durch einen phantastischen Zufall genau die Entscheidung war, die er selber bevorzugte. Ein Münztelefon hing in einer der dunklen Ecken, in denen die Kellner, aufeinander sauer, herumhingen. Dirk wand sich durch sie hindurch, während er
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